Auf den ersten Blick ein kurioses Fundstück, was ich euch vorstellen möchte. Leider besitze ich es selbst nicht, aber ich halte das Thema auch aus heutiger SIchtweise für sehr spannend.
Ich weiß nicht, was ihr so beruflich tut. Mancheiner hier wird aber so wie ich in der IT-Administration beschäftigt sein. Und dem einen oder anderen (untertreib...) wird sicher Server- und Desktop-Virtualisierung mit vMWare, Citrix, Hyper-V, Zen, Xen (und meinetwegen auch VirtualBox, obwohl verglichen mit den anderen ist das nur Spielzeug) bekannt sein. Da hat man dann eine fette x86-Server-Kiste stehen, oder im Serverschrank hängen und darauf laufen dann mitunter mehrere Dutzend virtuelle Server- und Desktop-Systeme parallel und stellen ihre Dienste im Netzwerk zur Verfügung. Zugegriffen wird auf diese virtuellen Systeme dann entweder über normale Netzwerkdienste oder Remote-Deskop-Protokolle, wie man sie z.B. mit Thin-Clients verwendet. Die Marktführer sind hier VMware (VSphere/ESXi/...), Citrix (XenDesktop/XenServer) und Microsoft (Hyper-V). Ich arbeite mit dem Zeugs täglich, ist halt mein Job. Vorteile sind, dass die Integration mehrerer Systeme auf eine Maschine, oder ausfallsicher auf mindestens zwei Maschinen viel Platz und Energie sparen und eben dass man es sehr ausfallsicher (Live-Migration, High-Availability, Fault-Tolerance um mal die vMWare-Begriffe zu verwenden) gestalten kann.
Vor einem Jahr oder so gabs eine Diskussion über seltsamme Olivetti-Systeme der Vergangenheit auf dem vcfed-Forum. Da erinnerte ich mich an eine Vorführung irgendwann Anfang der 1990er Jahre durch Olivetti bei einem Frankfurt-Offenbacher Systemhaus (gibts heute nicht mehr: ISE Data), bei dem ich damals gearbeitet habe. Leider nahm ich nicht an der Vorführung teil, war aber kurz in dem Raum um mit einem Kollegen, der teilnahm, irgendwas kurz abzusprechen. Jedenfalls sah ich diese vorgeführten Olivetti-Systeme nur kurz und fand die damals sehr merkwürdig. Es war klar als Server zu erkennen, doch sehr ungewöhnlich, der Server stand mitten im Raum, kein Schreibtisch, kein Monitor, keine Tastatur. Einfach nur ein Stromkabel und ein Netzwerkkabel. Die Vorführung fand einige Meter weiter weg statt, auf einem Notebook, das am anderen Ende des Netzwerkkabels hing. Der Server war kühlschrankhoch, quadratisch, es gab ein kleines LCD mit Statusanzeigen und ein paar Tasten, das wars. Mehr habe ich damals nicht mitbekommen, doch, ich konnte in einem Fenster auf dem Vorführnotebook ein Bild von WIndows NT 4 sehen, ohne aber zu verstehen was da passierte... Im vcfed-Forum konnte sich vor einem Jahr in der Diskussion niemand einen Reim draus machen, aber heute bekam ich dort eine PN mit ein paar Links, die das Rätsel klären. Ich fasse mal zusammen:
Wie in der Einleitung und Überschrift hat es was mit virtuellem Parallelcomputing zu tun, also durchaus in die Richtung was z.B. VMWare heute auch macht. Nur damals halt brauchten diese Server pro System was darauf lief, jeweils eine separate 80486-CPU. Das heißt, diese Olivetti NetFrame-Server hatten so viele CPUs wie Betriebssysteme parallel darauf laufen können sollten, maximal 8 Prozessoren für 8 parallel installierte und laufende Betriebssysteme plus einem Service-Prozessor, der das koordiniert, plus diverse 80386 auf Schnittstellenkarten. Als Betriebssysteme kamen damals laut einem der Links MS-DOS, LanManager, OS/2, Novell Netware und irgendein Unix zum Einsatz, ich meine allerdings bei der Demonstration damals bei ISE auf dem Notebook in dem Fenster ein Bild von Windows NT 4 gesehen zu haben.
Und jetzt noch ein Puzzlestück: Ich schrieb, diese NetFrame-Server brauchten keinen Monitor und Tastatur. Also wie kommt man auf das Managementsystem und die bis zu 8 parallel laufenden grafischen Betriebssysteme drauf? Heute, bei VMWare, Citrix und Co. würde man sagen: Remotedesktop übers Netzwerk. Unix und Netware gingen natürlich auch per Telnet oder SSH. Aber damals, 1992? Wenn wir uns mal überlegen, welche Remotedesktop-Protokolle uns so einfallen, kommt RDP von Microsoft, ICA von Citrix, XDMCP von X-Window/Unix-Systemen und ... VNC. Wer nun mal unter VNC in der Wikipedia nachschlägt, wird erstaunt feststellen, dass dies einst in Groß-Brittannien in der Stadt Cambridge in einem Forschungslabor enwtickelt wurde, welches auch einen Gründungs-Besitzer hatte: Olivetti. Das heißt, VNC geht wahrscheinlich letztendlich auf diese NetFrame "Superserver" zurück, auch zeitlich passt es.
Allerdings habe ich dann noch etwas weiter gegoogelt und bin dabei auf ein paar historische Pressemeldungen der Computerwoche gestoßen. Demnach stammen die Netframe Server von einer Firma Netframe Systems aus den USA, die dann von Olivetti und Wang ab etwa 1992 international vertrieben wurden. Nach den 486-EISA Netframe-Servern gab es nach 1995 wohl auch noch Pentium/PCI-Bus basierte Server dieses Typs, die aber scheinbar nicht mehr von Olivetti vertrieben wurden, jedenfalls konnte ich keine Meldungen zu Pentium basierenden Netframe Superservern von Olivetti finden. Aber ich fand eine Kurzmeldung, dass Netframe Systems von Microsoft aufgekauft wurde und damit verschwand wohl die Technik erstmal in der Versenkung. War wohl noch zu früh für sowas.
Bild, so sieht der Olivetti Netframe Server aus, wie man sieht gab es zwei Baugrößen: https://i.pinimg.com/736x/91/6…11535985e7843a66d96e0.jpg
Spanische Zeitschriftenwerbung zu den Olivetti Netframe-Systemen: https://4.bp.blogspot.com/-TdW…f9En8pMgCLcB/s1600/16.png
Mindestens einer scheint noch zu leben: http://www.qq22.net/qq22/comp/pages/netframe.html
Ich werde mal bei eBay einen Suchauftrag erstellen...