Sie schreibt vorwärts und rückwärts...

  • Elektronische Schreibmaschinen sind auch Computer, die halt auf nur eine ganz bestimmte Anwendung sehr konsequent spezialisiert sind...


    Meine Sammlungsschwerpunkte kennen hier zwischenzeitlich einige, so habe ich fast die gesamte Palette an TOS-Computern von ATARI und zugehöriger Original-Peripherie zusammengetragen, bzw. aus der "guten alten Zeit" selbst bewahrt, natürlich auch so ettliches von Commodore. So manch einen PC und Bildschirmschreibmaschine der ETV-Serie von Olivetti habe ich hier und auf der HomeCon auch schon gezeigt. Aber nur die wenigsten hier wissen, dass diese ETV-Bildschirmschreibmaschinen nur einen (wenn auch ein wichtigen) Teil meiner Sammlung von derzeit etwa 40 elektronischen Schreibmaschinen der Serien ET, ETV, Praxis, Linea aus dem Hause Olivetti sind. Gestern gab es einen Neuzugang, eine


    Olivetti ET 121 Farsi - Latin


    Bei der ET 121 handelt es sich um eine recht große Büroschreibmaschine (A3 Quer) aus der ersten Generation der elektronischen Typenrad-Büroschreibmaschinen aus dem Hause Olivetti, diese erste Generation hat in etwa immer das selbe Druckwerk: die Zeilenschaltung wurde mal geändert und die Motoren wurden von Modell zu Modell etwas kleiner. Diese erste Serie umfasst die Modelle ET 101, ET 201, ET 221, ET 231, ET 351, ET 121, ET 225, welche zwischen 1978 und 1984 hergestellt wurde. In den Maschinen werkeln übrigens verschiedene 80xx Microcontroller und in den größeren Maschinen auch 1-2 Z80 CPUs, die ET 225 als letzte Maschine dieser Generation konnte bis zu 64 kB RAM haben. Diese Generation hatte gegenüber den Mitbewerbern (IBM, Triumph Adler, Olympia, Brother, Remington, usw.) eine Besonderheit beim Druckwerk (*1): Statt Steppmotoren für die Typenradselektion und Tabulation (Druckkopfbewegung) verwenden diese ETs schnelle Gleichstrommotoren mit Encodern, das heißt auf der Achse des Motors befindet sich eine Scheibe mit 200 Schlitzen, welche die Drehung erfassen, genau wie bei einer Maus mit Kugel. Dadurch waren diese Maschinen sehr schnell, sprich 20 Zeichen pro Sekunde (*2), die Ansteuerung des Motors vereinfacht, aber die Auswertung der Encoder war softwareseitig etwas aufwändiger als das Ansteuern eines Steppmotors und diese Technik soll seinerzeit billiger in der Herstellung gewesen sein. Allerdings muss bei diesen Maschinen jeder Motor und Encoder mittels Poti auf die jeweilige Basiselektronik abgestimmt werden. Dafür konnte die Elektronik die Bewegung des Druckkopf und Typenraddrehungen beobachten, wenn der Anwender z.B. das Typenrad wechselte und dabei irgendwas bewegte was er eigentlich nicht soll und die Grundstellung automatisch wieder herstellen, ohne die Mechanik erstmal gegen irgendwelche mechanischen Barrieren zu rammen (*3). Auch mechanische Blockagen bemerken diese Maschinen auf diesem Weg sofort. Im Stillstand werden die Motoren übrigens nicht einfach stromlos geschaltet, sondern sie oszillieren (unhörbar) mit 50 kHz zwischen 2 Schlitzen des Encoders, so dass die mechanische Position des Druckwerks stabil gehalten werden kann, ohne dass die Ansteuerung eine Selbsthemmung (etwa durch einen Schneckenantrieb) hat.


    Die ET 121 wurde von Olivetti 1982 vorgestellt und ist ein eher einfaches Modell: Kein Display zur Texteingabe sondern nur 1 Zeile Speicher für direkte automatische Tippfehlerkorrekturen auf dem Papier, kein Fettdruck, kein Inversdruck, kein automatisches Unterstreichen, obwohl das selbe Druckwerk in der ET 225 dazu durchaus in der Lage war. Immerhin beherrscht sie Proportionalschrift, bei der berücksichtigt wird, dass ein i viel schmäler ist als ein W. iiiiii WWWWWW Das hier ist aber ein besonderes Modell von 1983, denn diese hier ist zwischen den Schriftarten Latin (also die Buchstaben die ihr hier lesen könnt) und Farsi (also persisch) umschaltbar, die kann also vorwärts und rückwärts schreiben! Und Farsi muss grundsätzlich in Proportionalschrift gedruckt werden, um ein geschlossenes Schriftbiild hinzubekommen. Das Handbuch beschreibt sogar, wie man beide Schreibweisen in einer Textzeile miteinander kombinieren kann, wenn der Text dann gedruckt wird, wird erst die eine Schriftart gedruckt, dann fordert die Maschine zum Typenradwechsel auf, dann druckt sie die andere Schriftart. Das ist alles andere als komfortabel, wenn man es mit heutigen Möglichkeiten grafikfähiger Software und Drucker vergleicht, aber für damals war das enorm.


    Eine Farsi-Latin-Maschine mitten in Europa (Raum Frankfurt) zu erstehen ist wohl eher schwierig, also ein besonderes Stück für meine Sammlung, zumal diese Maschine in einem hervorragenden Allgemeinzustand ist, die sieht mehr oder weniger nagelneu und unverschlissen aus.


    Das Gehäusedesign dieser Schreibmaschinen stammt übrigens vom italiensichen Star-Designer Mario Bellini, welcher zwischen 1972 und Mitte der 1990er viel für Olivetti gestaltet hat. Auf den Fotos ist hoffentlich die deutliche Keilform des Gehäuses zu sehen, und die für die 80er typische gerade Linienführung.


    Zu der ET 121 Farsi - Latin habe ich auch noch eine rein mechanische Olympia mit Farsi, also auch die schreibt rückwärts, dazu bekommen, die gebe ich aber an einen befreundeten Olympia-Sammler weiter. Der leckt sich schon die Finger nach dem seltenen Stück...


    *1 (Nur noch der amerikanische Hersteller Exxon leistete sich noch einen Sonderweg: Dort waren Druckkopf und Typenrad jeweils Teil eines Linearmotors... Der Benutzer solch einer Maschine saß also ganz ordentlich in einem Magnetfeld...)
    *2 (der PC-Drucker Olivetti DY 400 mit dem selben Druckwerk erreichte sogar 40 Zeichen/s, der DY-800 dann das doppelte und gillt als das schnellste Typenraddruckwerk der Welt)
    *3 (wie es z.B. die 1541 beim Formatieren macht)


    Bild 1: So sieht die ET 121 aus, evtl. kann man auf dem Bild rechts die Latin-Taste mit zugehöriger LED sehen, über die man die Maschine umschaltet
    Bild 2: Die Farsi-Tastatur, auf der Vorderseite der Tasten sind die Latin-Buchstaben in UK/US-Tastaturbelegung aufgedruckt
    Bild 3: Testausdruck aller Zeichen in Farsi und einem englischen Demo-Text.
    Bild 4: Farsi- und Latin-Typenräder, das Latin ist in Schriftart "Venezia"

  • Bild 5: Druckkopf: Hier ist der Typenrad-Selektionsmotor mit Encoder zu sehen. Genau wie bei einer Maus mit Kugel wird die Drehbewegung des Motors mit einer Lochscheibe überwacht, diese hat eine Einteilung von 200 Schlitzen plus einem Extra-Loch für die Grundstellung.
    Bild 6: Das Typenrad im Druckwerk eingelgt. Außerdem zu sehen: Gelbe Spulen des Korrekturbandes und tiptop sauberer Zustand der Maschine!
    Bild 7: Druckkopf mit aufgesetzem Farbband
    Bild 8: DIe Olympia schreibt auch rückwaärst, die gebe ich aber weiter.

    • Offizieller Beitrag

    Ich bin ueberzeugt, das die Maschine auch rueckwaerts schreiben kann.
    Genauso, wie man mit einem schwarzen Farbband auch ROT schreiben kann.
    :)

  • Die ET 112 schreibt nur vorwärts, denn sie hat keinen Textspeicher (und Display) wie die weitestgehend baugleiche ET 116 (von der ich gleich 2 Stück habe eine deutsche und eine französische), sondern sie schreibt sofort, wenn man tippt. Und da wir mit den lateinischen Alphabet eben von links nach rechts schreiben, schreibt diese 112 nur so. Und sie hat leider auch keine Schnittstelle, um sie an einen Computer anzuschließen, leider erwischte ich bisher nur eine ET (ET 2300) mit Centronics-Interface, die schreibt dann doch auch rückwärts, wenn sie denn funktionieren würde, die hat nämlich leider ein Problem wo ich noch nicht dahinter gestiegen bin.

    1ST1

    • Offizieller Beitrag

    so war das nicht gemeint


    DOCH !! :D
    Genau wie mit dem schwarzem Farbband. 8o


    Aber mal im Ernst: ist vor- / rueckwaerts bei Schreibmaschinen wirklich definiert? Das koennte ja, wie in deinem Beispiel, in anderen Laendern anders ausgelegt werden.
    Oder ist das nur umgangssprachlich?


    Frohes Schaffen

  • Was macht man denn mit der Tastaturbelegung bei einem Typenrad für Farsi? Da kann man ja praktisch nur blind schreiben, oder man klebt sich Zettelchen auf die Tasten, oder? Ich würde es schon schwierig finden deutsch zu schreiben, wenn die Tasten in Farsi beschriftet sind.

  • Schau dir oben die Bilder der Farsi-Maschine an, da ist die Tastenbelegung auf einem Foto zu sehen. Es gibt eine Umschalttaste Farsi/Latin, und dazu muss man auch das Typenrad wechseln.


    Und "Vorwärts" ist in unserer Kultur bei einer Schreibmaschine eben von Links nach Rechts definiert. Dass Speicherschreibmaschinen und Schreibmaschinen mit Interface bzw. Drucker bidirektional drucken können, ist auch was anderes. Letztendlich ist das bei einer elektronischen Maschine nur Software, aber die Farsi-Maschine verhält sich halt absolut umgekehrt wie eine Latin-Maschine. Wenn man Return drückt, läuft sie von links nach rechts, wenn man tab drückt, fährt sie von rechts nach links zum nächsten Tabstop, und wenn man schreibt, druckt sie die Zeichen auch von rechts nach links. Und wenn man sie auf Latin umstellt, dann verhält sie sich für unsereins "normal", also genau umgekehrt wie beschrieben, oder eben wie die ET 112.


    Bei der auf dem letzten Foto abgebildeten komplett mechanischen Farsi-Olympia sind in der Mechanik Umlenkrollen drin, das heißt, das Federgehäuse wo das Stahlband zieht/aufrollt, welches den Wagen zieht, sitzt an der selben Stelle wie bei einer Latin-Maschine. Aber statt den Wagen direkt zu ziehen, wird das Stahlband erstmal in die andere Richtung umgelenkt, um den Wagen in die andere Richtung zu ziehen. Der Zeilenschalthebel, mit dem man den Wagenrücklauf auslöst, ist auch spiegelverkehrt am Wagen angebracht.

    1ST1

  • Mein jünster Neuzugang ist das Dreigestirn aus Olivetti TOP 100, Studio 802 und PTP 820,. Das genaue Baujahr ist mir noch nicht bekannt, als Azubi habe ich diese Maschinen nie gesehen, ich meine aber dass ich sie wenigstens teilweise im Jahr 1990 auf dem CeBit-Stand von Olivetti gesehen habe. Das sind drei Schreibmaschinen für Heimanwender mit sehr großem Display und Diskettenlaufwerk. Die TOP 100 ist eigentlich eine Schreibmaschine von Triumph Adler, die als Olivetti verkauft wurde. (Triumph Adler wurde in den 1980ern von Olivetti gekauft, vorheriger Besitzer war VW.) Die beiden anderen Maschinen sind absolut baugleich, nur die Gehäusefarbe ist anders und sie basieren auf dem Druckwerk der Olivetti ET Personal 55. Die TOP 100 hat nur ein Textverarbeitungsprogramm im ROM, das Diskettenformat ist mir noch nicht bekannt, leider habe ich zu der Maschine kein Handbuch. Bei der PTP 820 ist das Handbuch dabei, und die Studio 802 bedient man genau gleich. Die beiden Maschinen haben nicht nur eine Textverarbeitung eingebaut, sondern ach eine Tabellenkalkulation, die mit WKS-Dateien (also Lotus 1-2-3) arbeitet, Terminkalender und Adressverwaltung ist auch drin. Es ist auch möglich, mittels der Adressverwaltung Serienbriefe zu drucken, und das mit diesem Plastikdruckwerk! Gespeichert wird auf Disketten im 720 kB MS-DOS-Format. Bisher hatte ich noch keine Zeit, diese Plastikbomber (alles gesteckt, geklipst, teils alterungsbedingt porös) mal zu restaurieren. Bei den beiden Olivettis (Studio/PTP) muss ich auf jeden Fall die Diskettenlaufwerke durchchekcen, das eine kann Disketten nicht auswerfen, beim anderen ist die Blende kaputt). Aber anlässlich dass ich die 3 Maschinen dieser Klasse nun komplett habe, die TOP 100 habe ich erst am Montag bekommen, wollte ich sie hier mal zeigen. Das erste Bild zeigt aber erstmal diesen Übergang von TA aus dem Besitz von VW hin zu Olivetti aus einer etwas ungewöhnlichen Perspektive.

  • Und noch ein Schwung Bilder. Das vorletzte Bild zeigt ein typisches Olivetti-Druckwerk der letzten Generation, total simpel, kaum Einstellmöglichkeiten, viel Plastik aber im Grunde unverwüstlich, das letzte Bild ein typisches TA-Druckwerk (Man beachte das zusätzliche Gewicht auf dem Anschlaghammer). Die Typeräder, Farbbänder usw. sind zwischen Olivetti und TA nicht austauschbar. (Alle Olivetti-Maschinen von 1978 bis 1992 verwenden die selben Typenräder, alle Heim- und Büromaschinen und die ETV-Bildschrimschreibmaschinenserie). Bei der TA, bei der das Display in den Druckerdeckel integriert ist, kann man das Display nicht sehr weit nach vorne klappen, so dass man nur schlecht an das Farbband und Typenrad dran kommt, da ist der Austausch fuddeliger als bei den beiden Olivettis. Die TA fährt nicht mal den Druckkopf in die Mitte, wenn man den Deckel aufklappt, so dass man je nach Position nur schlecht an die Korrekturbandrollen dran kommt. Auch an der Tastaturbeschriftung, Bedienung usw. kann man die TA detutlich von den Olivetti-Maschinen unterscheiden (deutsche versus englische Funktionstasten, Typographie der Beschriftungen usw.). Aber da kommt doch bei allen drei Maschinen ein Laptop-mit-eingebautem-Drucker-Feeling auf, oder?

  • So, mal wieder was neues altes aus der Büromaschinenwelt... Die Woche bei Mainz abgeholt und eben erstmalig angeschlossen und Luft angehalten, geht sie...?


    Das ist wirklich eine alte Dame... Baujahr ab Sommer 1978, bis etwa 1982.


    Es handelt sich hierbei


    - und jetzt kommt eine langatmige Beschreibung welche die Bedeutung dieser Maschine hervorhebt -


    um die allererste elektronische Typenrad-Speicherschreibmaschine mit Display und Textbearbeitungsfunktion der Welt. Puh, jetzt ist es raus...


    Das Baby heißt Olivetti TES 401.


    Alle anderen europäischen Hersteller, sei es Olympia (1980), Trimph-Adler (1980), usw. waren später. Lediglich IBM konnte auch ab Ende 1978 die elektronischen Typenrad-Modelle 50 und 60 liefern, aber ohne Speicher. Denen setzte Olivett gleichzeitig zu meinem jüngsten Neuzugang die kleinere, ab 1976 in Entwicklung befindliche Typenradscheibmaschine ET-101 entgegen, welche aber (soweit ich bisher rausfand) nicht in Deutschland vertrieben wurde. IBM hatte aber schon 1974/75 elektronische Maschinen auf Basis der Selectic Kugelkopf-Druckwerks, denen teilweise eine Schreibtisch hohe elektronische Speichereinheit mit 8-Zoll-Disketten beigestellt wurde. Allerdings das ohne Display, ohne Monitor, diese Dinger zu bedienen müsste eine Wissenschaft für sich gewesen sein...


    Zurück zur TES... Die TES 401 war das kleinste Modell einer kleinen Serie von insgesamt drei oder vier Maschinen auf dieser ersten Generatiomn von Typenradschreibmachinen aus dem Hause Olivetti. Neben der Speicherschreibmaschine TES 401 gab es auch noch mindestens die beiden Textautomaten TES 501 und TES 701. Diese beiden letzteren Textautomaten waren so groß und schwer, dass sie direkt in stabile Stahlschreibtische eingebaut waren. Die TES 501 hatte wie die TES 401 ein einzeiliges Display, aber etwas länger als bei der 401 und seitlich unter dem Tisch zwei 8 Zoll Diskettenlaufwerke. Die 701 hatte statt des Displays einen CRT-Monitor - wenn ich mich noch recht erinnere mit kräftig blauer Schrift auf schwarzem Hintergrund, was mir als Azubi damals so gut gefiel, dass ich diese Werte damals auch im Kernal meines C64 hinterlegte. Vor dem Schirm war dann noch so ein Stoffnetz als Antireflektionsschicht aufgespamnnt. Die kleine ET 101 hatte technisch kaum was mit der TES-Serie zu tun, außer dass sie die selben Typenräder und Farbbänder verwendete, leider kenne ich diese Maschine außer von Bildern noch garnicht, der Funktionsumfang dürfte dem der obigen ET 121 entsprechen, aber vermutlich mit Step- statt Gleichstrom-Encodermotoren. Ich muss mal nach Ivrea in das Olivetti-Museum und mir diese Maschine mal angucken, dass ich mal eine bekomme, bezweifle ich.


    Zurück zur TES 401. Angetrieben wird die Maschine von einem Intel i8080 Prozessor, der Arbeitsspeicher ist 16 kB groß, wovon die Hälfte für die Textbearbeitung zur Verfügung steht. Außerdem hat die TES noch eine ganze Latte 2 kB Eproms auf der riesigen Hauptlatine, das heißt die Platine ist etwa so groß wie die Grundfläche. Ich habe meine Maschine noch nicht geöffnet, aber aus meiner Azubi-Zeit erinnere ich mich noch, dass diese Platine voll mit manuellen Modifiaktionen ist, massig Leiterbahnen durchtrennt und neu mit Fädeldraht verbunden. Je nach Patchlevel gab es dann auch neue Eproms...


    Genau wie auch die größeren TES 501, (evtl auch 601, falls es die gab) und 701 hat auch die 401 einen Massenspeicher. Ok, eine Speicherkapazität von 7,5 kB ist jetzt nicht wirklich die große Masse, aber für ein Datasetten-artiges Aufzeichnungsformat in einem Laufwerk, welches den Schreiblesekopf spiralförmig unter einer langsam rotierenden "Olivetti Minidisk" von etwas weniger als 7 cm Durchmesser speichert, war das für damalige Verhältnisse ganz brauchbar. Übrigens, eine Minidisk, ein Dokument... Legte man eine Minidisk ein, und startete das Programm "Write" über den Schiebeschalter, wurde diese Minidisk gnadenlos überschrieben, egal was drauf war. Es gab auch keinen Schreibschutz. Außerdem durfte man diese Minidisk nicht mit einem Stift beschreiben, statt dessen ist eine vierstellige Seriennummer auf der Disk aufgedruckt, die man gefälligst auf der Papierhülle zu dieser Disk drauf schreiben sollte. Auf der Papierhülle durfte man sich aber Inhaltsnotitzen machen - solange die Disk nicht drin steckte. Diese Minidisk sind recht empfindlich... Über die Seriennummer der Disk konnte man dann die Papierhülle indentifizieren, so das das nicht durcheinander kam.


    Die Software der TES 401 war recht einfach gehalten, man konnte Texte korrigieren, solange sie noch im Speicher waren, aber das Druckwerk hatte im Gegensatz zur ET 101 und späteren Modelle der ET- und Praxis-Serie kein Korrekturband. Auch einen direkten Schreibmaschinenmodus, bei dem ein Tastendruck unmittelbar zum Abdruck führte, gab es nicht, sondern es wurde immer erst ins Display geschrieben, Zeilenweise oder Dokumentweise, und dann gedruckt. Somit eignet sich die TES 401 nicht zum Ausfüllen von Formularen. Die Einfachheit geht soweit, dass es nichtmal eine Funktion gibt, um den Textspeicher auf einmal komplett zu löschen, das Handbuch empfiehlt dazu, die Maschine aus und wieder einzuschalten... Auch wenn man einen Text von Minidisk in dem schon belegten Speicher laden wollte, war Aus und wieder Einschalten "Best Practize" zum Speicher erstmal Löschen! Es gibt auch keinen nichtflüchtigen Speicher, in dem man Randpositionen und Tabstops ablegen konnte, das musste mit dem Dokument auf Minidisk gespeichert und wieder eingelesen werden.


    Die Maschine beherrscht mehrere Zeilenabstände, sie kann 10, 12 und 15 Zeichen pro Zoll drucken, sie beherrscht Proportionalschrift und Blocksatz, PS und BS auch gleichzeitig. Das bedeutet auch, dass der Druckkopf in Microschritten bewegt werden kann, dennoch beherrscht sie keinen Fettdruck, obwohl das dafür die Vorraussetzung wäre, und sie kann nicht automatisch unterstreichen. Dafür ist sie mit ihren recht großen Stepmotoren ziemlich flott.


    Groß... Schwer... Das Maschinchen wiegt laut meiner Personenwaage 27,5 Kg. Das kubistische Gehäusedesign stammt vom italiensichen Star-Designer Mario Bellini. Auffällig an der 401 ist eine Art Stufendesgin, welches man von der Seite sieht. Scheibar steht die Maschine schräg, hinten ein großes Rechteck, welches tiefer reicht, als das Vorderteil, das Ganze in Weiß, fast schwarzer aber noch ein bischen transparenter Deckel und weinrote Walzendrehknopfe. Diese Farbkombination und eine ähnliche Formensprache wurden von der Buchungsmaschine Olivetti A4 von 1975 übernommen. Eine fast identische Seitenlinie findet man bei Olivetti auch bei einigen elektronischen Tischrechner der Logos 4x Serie, und auch die spätere Olivetti ETV 240 und 250 CP/M Bildschirmschreibmaschinen nehmen diese Seitenansicht wieder auf, selbst der Ein-Aus-Schalter findet sich bei diesen Maschinen wieder unten in der Stufe. Man findet die TES 401 als Beispiel des kantigen End-1970er-Jahre-Designs in diversen Design-Fachbüchern und sogar im Museum of Modern Art in New York steht eine TES 401 in der Dauerausstellung. In bester Gesellschaft mit einem FIAT Multipla ... Tja, die Italiener...


    Übrigens, die TES 401 hat seinerzeit rund 14.000 DM gekostet, etwa so viel wie ein VW Passat im Jahr 1983. Ich erinnere mich noch, als Azubi, da waren wir öfters im Wartungsdienst und auch zum Schreibmaschien ab und neu Aufbau in einer Frankfurter Großbank unterwegs. Dort gab es so um 1988/89 noch eine größere Menge TES 401 im täglichen Einsatz. Erst zu dieser Zeit wurden diese durch Olievtti ETV 260 und 2700 Bildschirmschreibmaschinen (mit verstecktem MS-DOS) ersetzt.Ich erinnere mich da noch an eine ältere Sekretärin, ich kam rein ins Büro, Handwagen mit einer ETV 2700. Guten Morgen, Ihre neue Maschine ist da... Um Gottes Willen! Ich will die nicht! Meine TES! Ich bin jetzt 62. Ich will nichts mehr neues lernen! Noch ein paar Monate bis zur Rente! Weg mit dem neuen Zeugs! Nach ein bischen Diskussion, auch ihr Chef kam dazu und verzeifelte an der Dame, zog ich wieder ab. Ein paar Tage später sollte ich wieder hinkommen. Dieses Mal war der Schreibtisch leer. Der Chef hatte die Sekretärin samst TES 401 versetzen lassen. Hart... Damals wurden dutzende TES 401 ersetzt und verschrottet. Einmal haben wir Azubis dann den ultimativen Test gemacht, denn die Robustheit der TES 401 war legendär... Also, eine Seite A4 im Speicher voll geschrieben, auf Minidisk gespeichert, dann nahm ein Kollege die TES hoch, ein Meter über den Boden, einschalten, Text von Disk gelesen, Drucken, und dann fiel sie runter... Sie knallte auf, Gehäuse bekam Risse, aber sie druckte unbeeindruckt weiter! Jugend forscht. Mit meinem Exemplar mache ich solche Spielchen aber nicht.

  • Meine TES 401 ist fast vollständig funktionsfähig, die Tastatur hat ein paar nicht sauber auslösende Tasten, eine Taste ist abgebrochen aber noch da und das Minidisklaufwerk dreht nur ein bischen, verdreckt, verharzt oder sowas. Da muss ich ran.


    Ein paar Weblings zum Thema:
    - Hier eine Übersicht der IBM Maschinen.
    - Italienische Wikipedia zur Olivetti ET 101
    - Pressemeldung zur TES 401 in der Computerwoche 11/1978
    - Die ET 101, TES 401 und andere Elektronische Schreibmaschinen von Olivetti bei der Stiftung Storiaolivetti
    - Zeitgenössische Werbung für die TES 401 in den USA
    - Technische Details zur Olivetti Minidisk
    - Olivetti TES 501 (Die Info zum Baujahr 1976 müsste falsch sein!)
    - Ohne die TES 401 und 701 wäre Olivetti USA 1978 pleite gegangen...
    - Kreatives Werbevideo zur TES 501 aus dem Jahr 1978 - sehr sehenswert!

  • Dankedanke!


    Habe gestern spät noch ein bischen recherchiert, ich bin mir jetzt garnicht mehr sicher, ob die IBM 50 und 60 schon Typenradmaschinen waren, oder noch Kugelköpfe hatten. Jedenfalls fand ich unter dem Stichwort IBM 50/60 Typewriter kaum was, außer in Youtube, und da klapperte fließig ein Selectrix Kugelkopf rum, aber immerhin mit Elektronikansteuerung. Der Name Wheelwriter kommt bei IBM erst 1984, viel später als ich jetzt erstmal erwartet habe. Keine Ahnung ob es schon vor der Wheelwriter-Serie bei IBM Typenradmaschinen gab. Dafür hatte IBM so kuriose Sachen wie interne mehrspurige Bandlaufwerke mit breitem, wechselbarem Endlosband, jede Spur ein Dokument, und ähnlich wie beim Telefon eine Wählscheibe zum Auswählen der Spur. Aber, ich habe mir inzwischen die Wheelwriter von MarNo84 mal technisch näher angesehen, die ist Baujahr 86, und die ist echt gut aufgebaut, simple Mechanik, robust und flott. Die vergleichbare Olivetti ET 109/110/111/112 sind da etwas komplexer aufgebaut, und dadurch nicht unbedingt besser. Das konstruktive (kostenoptimierte) Niveau erreichte Olivetti erst ab 1989 mit der ET2000-Serie.

    1ST1

  • Im letzten Beitrag von 2016 in diesem Thread erwähne ich die ET-2000 Serie. Im Nachbarthread Olivetti ETV ist schon eine Schreibmaschine aus dieser Serie zu sehen, die ET 2200 an meiner ETV 2900 ("MS-DOS-iMac"). Heute gab es einen Neuzugang aus der ET 2000 Serie, das war die letzte Baureihe elektronischer Schreibmaschinen von Olivetti, vorgestellt 1989, 9 Modelle (2100, 2200, 2300, 2400, 2500, 2250, 2250MD, 2450, 2450MD) bis etwa 1992 produziert, dann Schluss. Ich habe zwar schon seit Jahren eine ET 2500 im Bestand, aber bei dem aktuellen Angebot konnte ich nicht nein sagen. Die 2500, die ich schon länger habe, ist ein Modell mit Luxemburg/Schweizer "Nationalität", das heißt, Firmware Deutsch/Französisch umschaltbar und ein Tastaturlayout, was dem Deutschen ähnlich ist, aber neben den deutschen Umlauten auch ein einfaches Schreiben der französischen Accents zulässt, das heißt es gibt direkt Tasten, die á, ô è per Doppeltbelegung schreiben können, ohne dass man erst die Accent-Taste und dann die Buchstabentaste drücken muss.


    Heute Abend habe ich mir nun das zweite Topmodell der ET 2000 Serie zugelegt, sprich noch eine ET 2500. Diese hier hat es aber "in sich", und "an sich". Das "an" war das, was mich bei der Maschine angefixt hat - deswegen musste ich die haben. Denn sie hat ein externes 3,5 Zoll 720 kB Diskettenlaufwerk! Diese "Diskstation 2000" ist sozusagen die italienische Version der Commodore 1581. Ein Laufwerk mit eigenem Prozessor, die Kommunikation zwischen Schreibmaschine und Laufwerk läuft über eine serielle Verbindung (auch die Stromversorgung erfolgt über dieses Kabel, das nur 6 Kontakte hat. Das Laufwerk ist in der Lage, selbst Disketten zu formatieren, was für ein Schreibmaschinen-Diskettenlaufwerk nicht selbtsverständlich ist, die Vorgängermodelle DU-100, DU-116 und DU-250 (diese intelligenten 5,25-Zoll-Laufwerke für die ET 225/115/116 und ETV 250 suche ich auch noch) für die ältere Schreibmaschinen-Generationen von Olivetti konnten das nicht, da musste man bei Olivetti teure vorformatierte Disketten kaufen. Die "Diskstation 2000" kann Disketten im eigenen "ET-Format" und im "ETV-Format" formatieren, lesen und schreiben. Das ET-Format muss ich untersuchen, das kenne ich nicht. Aber ETV-Format ist nichts anderes als FAT 16, und "ETV" weist darauf hin, dass damit Disketten der ETV 260, 2700 und 2900 gelesen werden können. Und das habe ich gleich ausprobiert, eine Textdiskette der ETV 2900 eingesteckt, und einen Text, der mit der 2900 Bildschirmschreibmaschine ("MS-DOS-iMac") erstellt wurde, konnte in die Schreibmaschine importiert werden. Was ich vorher nicht wusste, und erst bei der Abholung der Schreibmaschine mit Freude entdeckte, ist dass diese ET 2500 neben der Schnittstelle für die Floppy auch ein Centronics-Interface eingebaut hat. Saucool! Die hat es nicht nur an sich, sondern auch in sich, was ein Glücksgriff! Gleich mal ein Parallelkabel rausgekramt und sie an den noch aufgebauten Olivetti M200 PC angeschlossen, die Schreibmaschine per Tastendruck empfangsbereit geschaltet und auf der DOSe c;>\dir c; > lpt1: eingegeben und schwuppdiewuppkadoffelsupp wurde das Inhaltsverzeichnis von der ET 2500 auf Papier gehämmert, sogar mit richtigen Umlauten.


    ET 2500, Diskstation 2000, M200, USB-zu-Centromics-Adapter, mal sehen ob sie auch aus Win 10 was sinnvolles druckt...


    Diskstation 2000, die italienische Interpretation der Commdore 1581... MFDU=Micro Floppy Disc Unit


    Auch ein flacher Rücken kann entzücken, wenn da ein Parallelport und eine Schnittstelle für das Diskettenlaufwerk dran ist.


    Die ET 2500 hat 64 kB RAM, akkugepuffert, um mehrere Texte intern zu speichern, sie hat Formularprogramm, kann Adressen in Serienbriefe montieren und lauter solche Späße. Das Display zeigt 40 Zeichen an, und den Status der Maschine, also in welchem Modus sie sich gerade befindet (einfache Schreibmaschine die alles gleich druckt was man tippt oder diverse Speichermodis, Absatzformate wie Zentriert, Blocksatz, 1-2-3 Spalten Text, Zeichenbreite/Proportionalschrift, Schriftattribute normal unterstrichen fettgedruckt und invers, Komminikation, Laufwerk und einiges mehr. So eine Schreibmaschine bis zum letzten auszureizen ist schon eine Wissenschaft für sich, die kann so einiges...


    Inhalt der Festplatte der M200...


    ... über LPT1: ausgedruckt!


    Inhaltsverzeichnis einer ETV 2900 Textdiskette auf der ET 2500 abgerufen: Textnummer, Dateiname (ohne OTX Dateiendung), Kommentar, genau wie man es auch auf der ETV 2600 und 2900 angezeigt bekäme.



    Achso, ja, um auf den ursprünglichen Titel dieses Threads einzugehen, die ET 2500 kann bidirektional drucken, vorwärts und rückwärt, aber der geschriebene Text ist immer "vorwärts", also von links nach rechts, wie es in unserem Kulturkreis üblich ist, kein "Farsi" (persisch) wie die eingangs gezeigte ET 121.

    1ST1

    Einmal editiert, zuletzt von 1ST1 ()

  • Oben der erste Satz lautete "Elektronische Schreibmaschinen sind auch Computer". Mein jüngstes "Neuestes Etwas" beweist das mal wieder. Ich habe da etwas bekommen, was ich selbst noch nicht kannte, nur durch Zufall entdeckt, weil mal wieder eine völlig neue Modellreihenbezeichnung gewählt wurde. Bisher habe ich immer nur nach Suchbegriffen wie TES, ET, ETV, ETS, Praxis, PTP, Studio gesucht, also Begriffe, die ich für Olivetti-Schreibmaschinen noch aus meiner Zeit kannte, oder auf die ich während meiner Recherche bisher so drauf stieß. Vielleicht sind mir so schon einige Maschinchen durch die Lappen gegangen, weil ich die Bezeichnung schlicht nicht kannte - und immer noch nicht kenne. Und wer kommt auch auf die Bezeichnung Jetwriter??? Wie bitte? Ein schnell fliegender Schreiber? Ja, schnell ist sie, die Kleine...


    Olivetti Jetwriter 900


    Oder: 1994 - Das letzte Zucken der Schreibmaschine.


    Die Jetwriter 900 ist fast mehr Computer als Schreibmaschine. Sie hat auch noch eine Schwester, die heißt Jetwriter 910, das habe ich nun rausbekommen. Bei beiden Modellen handelt es sich um kompakte elektronische Schreibmaschinen, die 900 ist prinzipiell dem oben vorgestellten Trio TOP 100, PTP 820 und Studio 802 nicht unähnlich, denn auch sie hat zwischen Tastatur und Drucker ein üppiges Display, welches mehrere Zeilen Text und eine per Tastatur bedienbare grafische Oberfläche hat. Fehlt eigentlich nur noch die Maus... Jetzt werde ich eine Jetwriter 910 suchen müssen, die hat zwar kein Display, aber einen richtigen monochromen CRT-Monitor, also so eine Art Mini-ETV. Aber was soll das mit der Typenbezeichnung "Jetwriter"...? Da steckt, und als ich dieses Maschinchen entdeckte, wäre ich fat von der Couch gefallen, ein kleiner Tintenstrahldrucker drin. Sowas irres. Aber gut, Olivetti hatte die portablen Tintenstrahldrucker JP-50 bis JP-90, da muss ja eigentlich nur ein Display und ne Tastatur dran, fertig ist die Schreibmaschine. Naja, Ok, damit man Texte auch speichern kann, macht doch eigentlich auch ein DIskettenlaufwerk SInn, oder? Und wenn, dann gleich richtig, 1,44 MB... Und wenn man schon so einen flexiblen Drucker hat, der nicht auf feste Schriftarten angewiesen ist, dann kann man dem Ding doch auch noch eine Tabellenkalkulation, eine Adressverwaltung und andere nette Softwarbeigaben - ist ja schließlich ein Computer - geben...


    So sieht das Ding aus. Die überdimensionale Papierstütze ist auch gleich Abdeckung, wenn man das Maschinchen zuklappt


    Üppige Softwareausstattung. Das mit dem "Druckermodus" muss ich nochmal näher untersuchen, aber sie hat zumindestens keine Schnittstelle - oder habe ich irgendeine Gehäuseklappe übersehen? Edit: Nein, nichts übersehen, ist wohl eine Option.


    Der kleine Druckkopf. Olivetti zählt sich selbst zu den Tintendrucker-Innovatoren (siehe Olivetti Stiftung Webseite) - allerdings neben HP, Epson und Canon dürfte Olivetti nur viel weniger als Tintendruckerhersteller bekannt sein, aber wer bei eBay mal nach "Olivetti JP" sucht, findet dort Tintenpatronen für 2-3 Dutzend verschiedene Modelle.


    Textverarbeitung. Wie man sieht, das Display hat eine leichte Macke, geht aber noch. Die Bedienung ist übrigens weitestgehend selbsterklärend, man muss eigentlich nur wissen, dass man mit ALT in die Menüleiste kommt, und dass man mit der STRG-Taste viele doppelt belegte Tastenfunktionen ausführen kann. Es gibt sogar eine Hilfefunktion zu allem.


    Das Diskettenlaufwerk ist an der Seite.


    Und funktioniert noch!

    1ST1

    3 Mal editiert, zuletzt von 1ST1 ()

  • Der Koloss aus Ivrea


    Toller Titel, nicht? Schon wieder ExTerristisch, wie ET, der Außerirdische. Nein. Schlicht und einfach Electronic Typewriter...



    Das ist doch mal eine Ansage...?


    Näheren wir uns mal dem Klotz, an anderem Ort schrieb ich, sie bootet ihre Software von Diskette.


    2x 5,25 Zoll Fullsize, nix da A: und B: sondern römisch | und ||.


    Ich schalte mal ein, im Inneren bewegt sich nach einem Moment etwas nach links, während as hier angezeigt wird...


    Dann kommt diese Meldung. Das heißt, Autodiagnose ist abgeschlossen, sie fühlt sich wohl. Aber ihr fehlt was.


    Richtig, Diskettenlaufwerk ist leer... Die gehört da rein.


    Dann saugt sie sich ihre Systemsoftware rein...


    So sieht das aus... Das Laufwerk schrabbt dabei hörbar.


    Da isse, die ET Dreieisefuffzg. ET 351. Das Topmodell der Olivetti Büroschreibmaschinen von 1982-1984.

    Es sind jede Menge Disketten mit Dokumenten dabei.


    Bevor Fragen aufkommen, das ist das Diskettenformat (Quelle Technikerhandbuch ET 351)


    Fortsetzung kommt gleich...

  • Mal ein bischen Technik: Der Encoder-Motor für die Typenraddrehung. Das ist ein kräftiger Bühler-Motor, ein Azubi-Kollege hat mal davon drei Stück in ein Modellboot reingebaut, das ging ab... Hinten auf dem Motor sitzt lichtdicht abgeschirmt eine Lochscheibe mit 200 Schlitzen, die wie in einer Kugelmaus abgetastet wird. Darüber kann die Maschine das Typenrad mit seinen 100 Zeichen exakt und schnell positionieren. Die Position wird gehalten, in dem der Motor hochfrequent mit Wechselspannung angesteuert wird.


    Links und rechts vom Motor kann man zwei runde Dinger sehen, das sind die Hubmagnete für Farb- und Korrekturband. Die bewegen sich leider nicht gescheit, da muss ich mal ran, sie hebt das Farbband nur wiederwillig an. Das ist ein bekannter Standardfehler dieser Maschinen, ist leicht zu reparieren, aber dazu muss ich sie erstmal zerlegen (wenn ich Platz habe).


    Motor abgekippt, so dass man das Typenrad zu sehen ist, außerdem der Anschlaghammer


    Das ist das Druckwerk insgesamt. Wie man sieht, weiß sie, dass das Farbband entnommen wurde und die Abdeckung offen ist.


    Das ist sie in Komplettansicht. Zum Größenvergleich eine 5,25" Diskette. Wer mal nach oben zur ET 121 Farsi hochscrollt, sieht, dass die beiden sehr ähnlich aussehen. Auch die ET 351 gehört technisch zur ersten Generation der Olivetti Büroschreibmaschinen. Man vergleiche auch die ET 112 weiter oben, die gehört zur 2. Generation, und die 2500 hier drüber gehört zur dritten Generation.


    Von Oben. Übrigens kostete die Maschine im Jahr 1982 14.000 DM. Mein Vater kaufte sich damals für das gleiche Geld einen neuen VW Passat Formel-E mit 75 PS.


    Bedienen kann ich sie auch. Wie man sieht, hat sie eine Serienbrieffunktion.


    ET 351 Prospekt ist auch dabei. Sogar das Prospekt für die Teletex-Version ET 351TTX, die ich auch im Keller habe (mit Endlospapier-Traktor) und für die zugehörige Empfangsbox für Datex-P.




    CESIS war Olivettis Service-Programm, das im Kundendienst verwendet wurde. Es lief auf den Olivetti L1 Minicomputern, auch wir in der Lehrwerkstatt hatten dafür ein Terminal im Raum. CESIS war global vernetzt und man fand darin die für den Standort markierten Service-Fälle, auf die man sich entweder selbst draufbuchen konnte, oder ein Dispatcher steuerte darüber die Außendiensttechniker. Der Kunde rief bei Problemen an, hatte idealerweise diese Karte und konnte so telefonisch Fehlercodes angeben, wodurch der Auftrag klassifiziert wurde und CESIS machte dann den Technikern oder Dispatchern Vorschläge, welchen Reparaturauftrag übernommen werden sollten. Außerdem konnten über CESIS Ersatzteile geordert werden, diese Aufträge landeten dann anhand des Lagerbestandes entweder im nationalen Zentrallager (Frankfurt Schmickstraße) oder in Ivrea, dann dauerte es etwas länger. Man kann CESIS durchaus als einen Vorläufer von heutigen Ticketsystemen im IT-Betrieb ansehen, meine Technikernummer darin war 12535, ich weiß die noch...



    Jetzt weiß ich auch, wo ich anrufen müsste, wenn was an der 351 kaputt ist, oder dem ganzen anderen Krempel im Keller...


    Fortsetzung folgt...

  • Das muss ich aber selbst machen. Das blaue Handbuch ist eine Einführung in die Technik der 351, dessen wichtigste Botschaft erstmal ist, sich in das Technikerhandbuch der ET 231 einzulesen, auf der die 351 basiert. Das rote 351 Handbuch erklärt dann im Detail, was im 231er Handbuch nicht steht.


    Uff, ist auch da... Also kann ich loslegen, nur wo ist das L1 CESIS Terminal, über das ich Ersatzteile bestellen kann???


    Da gibts auch kein L1 CESIS System mehr...

    So sah das aus. (Der offenbacher eBayer hat so ein L1 System, aber ist mir zu teuer, und die CESIS-Software ist sicher auch nicht drauf.)

  • Boah, ich bin hin und weg!

    Die M200 und die ET2500.... einfach schön:sunny:.:love:, ja Olivetti konnte Design und Funktion miteinander verbinden!

    Und die schwarze 351...:love: und mit Disketten in einer Normgröße, vom Datenformat reden wir mal nicht, das scheint wieder exotsch zu sein.

    Hmmm, ließen sich die Disketten unter Umständen mit sowas wie 22Disk am PC lesen:grübel::/.


    Vielen Dank für Deine ausführlichen Vorstellungen zu diesem Thema, das ich zugegebenr Maßen nie wirklich wahrgenommen habe.

    Viele Grüße,

    Knut

    :cat2:

  • Freut mich, dass ich mit meinem Geschmack nicht alleine bin. Ist wirklich schade, dass Olivetti heute (fast) nichts mehr macht, die konnten wirklich Design. Und die Qualität stimmt ja auch, sowohl die ET 351 und meine ETV300+ET121 sind von 1982, also aktuell 37 Jahre alt, und funktionieren immer noch einwandfrei (abgesehen von verharzten Hubmagneten bei der 351), sogar die Disketten und Laufwerke.


    Naja, Schreibmaschinen sind ja tot, aber wie aktuelle PCs, Server, Notebooks, Tablets und Smartphones von Olivetti aus der Designer-Hand heutiger Industriedesigner aussehen würden? (auf der Webseite sind zwar noch Drucker gelistet, aber das sind alles umgelabelte Kyocera oder Ricoh) (Bellini und Sottsass sind ja schon im Ruhestan bzw. verstorben (letzter)) Ob sie designmäßig heute solche Maßstäbe setzen würden wie Apple das noch immer versucht (ohne mich vom Hocker zu reißen)?


    Das mit dem Diskettenformat werde ich ausprobieren, ich habe ja auf meiner M24 und M240 entsprechende Tools drauf (mit denen ich schon Daten zur ETV 250 und 300 übertragen habe, zur M20 müsste auch gehen). Spannend wird rauszubekommen, was "Double Frequency" heißt, vielleicht ja "FM" statt "MFM", jedenfalls sind 80kb etwa die Hälfte dessen was mit MFM bei 40 Tracks einseitig hinzubekommen ist (vergleiche PC 360 kB Laufwerke oder Commodore VC1541/1571). Problem: Die M24 kann laut VCFED Forum kein FM, ich hoffe mal, die M240 kann es (da laufen auf jeden Fall schonmal mehr Floppy tools drauf als auf der M24, die da manches mit IRQ-Problem quittiert.). Die Disketten müssten auf jeden Fall mal gesichert werden, auch die Boot-Disk meiner 351TTX.

    1ST1

    2 Mal editiert, zuletzt von 1ST1 ()

  • servus 1st1,


    Du hast doch die Olivetti mit dem 2,8Zoll Laufwerk (TOP 100 wenn ich mich richtig erinnere):grübel:.

    Guck mal hier: Roland Quickdisk 2,8". Habe ich zufällig beim Stöbern in der Bucht gesehen und mich an Deine Maschine erinnert.

    Die könnten doch passen...

    Viele Grüße,

    Knut

    :cat2:

  • Nun, beschwören würde ich es nicht. Aber ich würde meinen das die es sind. So viele Varianten in einer exotischen Diskettengröße kann es ja wohl nicht geben. Bei den 3" Disketten gibt es ja auch nur eine Sorte.

    Ich glaube ich würde es drauf ankommen lassen. Auch wenn 7 Euro (mit Versand) für zwei Disketten recht teuer ist.

    Viele Grüße,

    Knut

    :cat2:

  • Die frühen Wordprocessors... da kommen mir nostalgische Gefühle.


    1984 bekam ich als Schüler ein gebrauchtes Schreibsystem "ASINT Scribona" von 1973 geschenkt, mitsamt Dokumentation incl. Schaltplänen für das etwa Dutzend Doppeleuropakarten. Das Ding hatte 8k Worte (zu 7 bit) realisiert als 56 Stück FIFO-Speicher 1kbit, und verwendete eine IBM Selectric.

    Das habe ich dann mit ein wenig Schaltung an meinen PC (EACA 8086) angeschlossen und als Drucker genutzt.

    Die Kugelkopfhämmerei war schon cool!


    Das Ding habe ich dann 1987 ersetzt durch einen Qume S3/55 Highend-Typenraddrucker, den ich zusammen mit einem Burroughs-Textcomputer kaufte.

    Letzteren schlachtete ich aus, und den Drucker mit seinem proprietärem 12bit-Interface schloss ich per 8255 und einem ESC-P-kompatiblen Treiber an den PC an.

    Das Ding machte 55 Hammerschläge pro Sekunde, und der massive Druckkopf, für sich alleine wohl schon so schwer wie eine Haushalts-Typenradschreibmaschine, beschleunigte je nach Länge der Leerstellen enorm, natürlich bidirektional. Beim Tabellendrucken vibrierte der Fussboden...

    Gegen das Teil war der populäre Diablo 630 mit seinen 35 Anschlägen arschlahm.


    Noch besseren Sound gibts nur auf richtigen Zeilendruckern... siehe z.B. Pornographie auf 50's Mainframes :-)