Computerszene in der DDR

  • Ich schreibe gerade an einem Text über die Computerszene in der DDR. Von der war ich ein Teil - aber ich hatte nur Zugang zu DDR-Rechnern wie dem KC 85. Es wäre toll, wenn Erfahrungen und Anekdoten von anderen einfließen würden.


    - Wer hatte in der DDR einen Westcomputer wie den C64? Woher? Was hatte man damit gemacht? Wie nahm man Kontakt zu Gleichgesinnten auf?


    - Wer hatte vor 1989 im Westen Kontakt zu Computerbesitzern in der DDR und anderen osteuropäischen Ländern? Wie lief das ab? Hatte man Hardware und Software spendiert?


    Danke sehr!

  • Meines Erachtens gab es da nicht eine Computerszene sondern eher zwei davon.

    Ein Teil der Leute hatte in irgendeiner Form Zugang zu Ostrechnern ala KC87, meistens über einen in irgendeiner Form an staatliche Organisationen angebundenen "Club". Etwa Pionier-AG, Rechenzentrum, Funkamateur bei der paramiltärischen GST. Diese Leute machten da i.P. sowas wie Kurse und halbwegs strukturiertes "Computerlernen" - i.a. gab es natürlich Basic ( was anderes lief da auch nicht ... ), aber auch Grundlagen der Elektronik etc.

    Der andere Teil hatte eine "Oma im Westen" und/oder andere Kontakte und dann irgendwann evtl. einen C64 o.ä. zu Weihnachten. Diese Leute waren i.P. nicht viel anders unterwegs als in Hamburg, Stuttgart, Heidelberg - lediglich das Netz der Tauschkontakte war nicht so dicht. Da wurde weniger gelernt und sie auf die Zukunft des Staates vorbereitet sondern eher viel gespielt, Demos geguckt und manchmal ein bißchen angegeben. Das war auch das Grüppchen was mit so Begriffen wie DefenderOfTheCrown was anfangen konnte. Ein kleinerer Teil von denen kam dann irgendwann selbständig auch zum Programmieren, auch im sonst gängigen Rahmen, also erstmal BASIC und dann meist schnell Assembler hinterher.

    Beide Gruppen hatten m.E. relativ wenig Überschneidungen.


    Und dann gab es noch eine dritte Gruppe, nämlich die, die, als es die Möglichkeit gab, so schnell wie möglich einen Rechner kaufen wollten, oft erstmal einen 8Bit'er, dann aber zunehmend schnell auch Atari+Amiga, was aber ganz schnell durch PCs abgelöst wurde, da zu der Zeit der Homecomputer klassischer Bauart schon ein Auslaufmodell war. Meist hatten die dann einen 286er und wenn Geld da war auch mal einen 486er. Ob man diese "als Szene" bezeichnen kann, weiß ich nicht, aber es waren auf jeden Fall oft Leute mit mathematischem Interesse und Freude an Technik generell. Und sie hatten sowas noch bevor der allgemeine PC Boom dann eingesetzt hat, wo jeder sowas rumstehen haben mußte. Die hätten sicher vorher zu Gruppe B gehört - es fehlte aber eben an der Westoma. Zu der Zeit gab es dann auch so richtig erste Szenebestrebungen mit Demogruppen oder Leuten die sinnfreie Tools und Codes geschrieben haben, nur weils geht.


    Und vermutlich war das auch regional sehr unterschiedlich, je nach politischer Struktur des Landstrichs und Vorhandensein von Firmen etc. So gab es in DD z.B. so eine Rechner-AG für den fleißigen Pionier, der da auch hindelegiert wurde. Das war aber wohl eigentlich so eine Art Nachwuchsgewinnungsprogramm für robotron. Sowas würde ich dann in Mühlhausen, Erfurt, Berlin auch erwarten, kann mir das aber in Königstein, Müllrose, Finsterwalde etc. nur schwer vorstellen - aber wer weiß ...

    -- 1982 gab es keinen Raspberry Pi , aber Pi und Raspberries

  • ...und dann gab es noch eine vierte Gruppe (zu der ich damals auch gehörte), die ihren Rechner selber bauten.

    Es fing bei mir mit dem Ju+Te Computer auf Basis des UB8830 an und dann kam der Selbstbau eines K1520 Rechners auf Basis der passenden Robotron-Platinen. Das einzelne 200K Floppylaufwerk war schon echter Luxus.


    Zwischendurch begann auch der Aufbau eines Rechners nach dem Buch "Praktische Mikrocomputertechnik - M.Kramer", allerdings ist dieser Rechner erst jetzt nach 30 Jahren so allmählich auf der Zielgerade.


    Den KC87 hatte ich mir dann erst im Sommer 1988 kaufen können. Den gab es regulär im Robotron-Laden in Erfurt


    Gruß Jörg

  • Ich hab ein paar Vorträge zu DDR Rechnern von der Retropulsiv auf meinem Youtube Kanal. Der Redner ist bestimmt eine gute Anlaufstelle!