Amiga- Spielemaschine oder mehr?

    • Offizieller Beitrag

    DIe kamen um 1985 auf den Markt, also parallel zum 520 ST und Amiga 1000. Beim Erscheinen des A3000 und TT waren die

    Die Sun3x hatte einen 030er/20Mhz und kam 1989 auf den Markt. der Amiga 3000 ein Jahr später und hatte entweder 16 oder 25 Mhz. So arg ist das gar nicht voneinander entfernt. Was Du meinst, waren die Kisten mit 020er Prozessor. Den 030er gab es 1985 noch gar nicht.

  • Zitat von ThoralfAsmussen
    Aber: Und da wird die Diskussion nämlich wirklich interessant - ich glaub' die konnten das als Firma schlicht nicht ! Weshalb das eigentlich ein Super Beispiel für BWL oder auch VWL Seminar Diskussionen wäre. Vom Marktführer in den Abgrund in 3 1/2 Jahren ...



    Danke für den interessanten Beitrag!

    Kannst Du das bitte nochmal erläutern, warum die das nicht konnten?


    Na ja, das ist natürlich nur eine steile These, aber meine Vorstellung davon ist ungefähr die:


    Bis zum "Weggang" von Tramiel war das eine Firma, in der es einen echten Firmenpatriarchen gab. So wie der Mann in den Interviews und wenigen Gesprächen rüberkommt, war das ein Typ, der genau wußte, wann er was warum und wie machte - im Hinblick auf's Geschäftliche. Der hatte auch kein Problem damit, sich an halbillegalen Sachen zu versuchen - Commodore (das CBM) ist gegründet worden, um Sachen aus Europa importieren zu können, die in USA eigentlich wegen politischer Embargos nicht eingeführt werden sollten. Ich glaube es ging da um Herstellung von Teilen in der CSSR - aber wenn man eine kanadische Firma hatte, konnte man das dahin schaffen und dann nach kleinem Umbau/Einbau nach USA bringen. Die eigentliche Firma in NY hieß Commodore Typewriter irgendwas.

    Zudem war der Mann im damaligen Deutschland im KZ, dann plötzlich in einem anderen Weltteil, dann beim Militär, dann in der Bronx, dann lange Eigentümer und vermutlich Alleinherrscher in seinem Geschäft, ist an die Börse gegangen und irgendwann hat er einen Mitstreiter bekommen, der ihn quasi freigekauft hatte und auf den er vmtl. gerne verzichtet hätte. Und der hat ihn dann später zum Verlassen der Firma gebracht und stand plötzlich damit da und hatte wahrscheinlich von Produkten und Prozessen und internen, über die Jahre angesammelten Verhältnissen und Verhalten nicht so wirklich viel Ahnung - die Rede ist von Mr.Gould.


    Und das ist genau die Zeit - 1984 - als die Computermärkte wegbrechen und 8Bit eigentlich "durch" ist. Es muß was Neues her und es kommt auch : die 264er Reihe - eine schöne Baureihe mit optimierten Chips, aber eben 8Bit und ohne besondere Features wie Sprites o.ä., super als "Textomat" und "Minispreadsheet", aber Leute, die das machen haben längst einen PET, Apple2 etc., dann der 128er - eine völlig vergurkte Kiste, die versucht 3 Computer in einem zu sein und von den Nutzern i.P. als formschönerer C64 benutzt wird. Ein einziger Kompromiß ! Und sowas passiert nur in einer Firma, wo niemand mehr sagt, was GUT ist und in welches Richtung es gehen soll. Eine Firma, die nur noch von einem Finanzier geleitet wird, aber strukturell so aufgebaut ist, daß sie immer noch auf das richtungsweisende Wort des echten Eigentümers wartet, eine Firma, die keine Konzepte entwickelt hat, um solche Beschlüsse anders fassen zu können - z.B. durch internen Wettbewerb von Prototypen oder Designs und Entscheidungsgremien, die evtl. geheim abstimmen, wenn's schon eine Teamentscheidung sein soll.

    Und dann haben sie plötztlich Glück: Da ist so ein kleine Bastlerbude mit einem quasi fertigen und ziemlich kongenialen Gerät, was sie zum Spottpreis bekommen - v.a. auch weil die Leute um Jay Miner sich von Atari irgendwie "angepißt" fühlen und gar nicht dahinwollen. Ausschlaggebend dürfte aber evtl. sein, daß der Mr.Gould da nochmal so richtig "nachgetreten" hat in Richtung Tramiel, nur damit der das nicht bekommt.

    Und dann hatten sie plötzlich ein Top-Gerät und anstelle damit eine Profiline aufzubauen, es in den Grafikbereich einzubringen, dorthin zu entwickeln wo die Entwickler es wahrscheinlich haben wollten (so eine Art Indigo in bezahlbar), hat C= erstmal 2 Jahre keinerlei Geräteentwicklung gemacht und einen abstrus hohen Preis aufgerufen - das Ding stand unverkauft rum. Und dann haben sie es "gestreamlined" und A500 und A2000 daraus gemacht - und beide primär über Kaufhäuser und Stores (walmart und Co) "vertickt". Was ja auch gut funktioniert hat, aber eben nur das ist, was sie mit den 64er'n gewohnt waren und dem Gerät nicht gerecht wird - da hätte wenigstens der 2000er in den Fachhandel gehört und Support dazu und auch ein bißchen Anschubsoftware (wäre schon beim 1000er gut gewesen).


    Und nochmal zurück zu Tramiel: Der hat sich nicht ins Boxhorn jagen lassen und genau das gemacht, weshalb C= unter ihm so ein Techikkonzern geworden ist - man denke mal an die supercoole Aktion mit dem Ankauf von MOS ! Das ist zu der Zeit geradezu genial gewesen ! Und weitsichtig.

    Und nun bei Atari und dem Wissen von dem, was da an Amiga-Gerät kommen wird, macht der aus Atari nicht etwa eine Software Firma o.ä., sondern baut in einem halben Jahr ein extrem sauber gebautes und leistungfähiges Gerät, was fürs Daddeln und ebenso als Macintosh Ersatz taugt - und mit Maus und Grafikoberfläche kommt und sämtliche Konkurrenten (und deren halbherzige Versuche ala Sinclair QL) völlig alt aussehen läßt. Außerdem sämtliche nur denkbaren Schnittstellen enthält und eine hochauflösende Grafik hat, gegen die der Macintosh mit seinen 512x384 Pixeln mickrig ausgesehen haben muß.

    Ein Gerät was wirklich die Workstation Leistung dieser Zeit auf den Schreibtisch der normalen Leute holt.

    Was hätte der erst aus dem Amiga gemacht ??!!


    (Keine Ahung was da passiert wäre - vermutlich hätten Tramiel und Miner nicht wirklich gut gepaßt, aber wenn sie sich nicht total überworfen hätten, wäre da ein noch farbenfroherer und trotzdem billigerer Rechner bei rausgekommen - evtl. auch ein outmaxed Profirechner und zusätzlich eine Spielkonsole auf gleicher Hardwarebasis. Ich vermute nämlich, daß der Tramiel sicherlich ein unangenehmer Diskussionspartner war, wenn es um Preis und teure Sonderwünsche ging (Goldkontakte oder so), aber daß er in technischen Dingen auch durchaus auf seine Techniker gehört hat, und für vernünftige Argumente offen war - und selbst auch wußte, wie man Geräte baut; sonst wäre so jemand, wie der Shivji oder auch das Designteam nie mit in die neue Firma gegangen.)


    Kurz: C= hat unter Gould den Amiga am langen Arm verhungern lassen, weil sie unter der Führung eines Finanziers i.P. komplett "frei flottierend" dahinsegelten und erst, wenn die Verkaufszahlen wieder komplett wegbrachen auch mal irgendwas gemacht haben (A500). Niemals aber aktiv und vorausschauend bestimmt haben, wie das nächste Gerät aussehn soll und was sie davon erwarten oder was sie der Welt Neues anbieten könnten. Und das hat m.E. primär was mit dem firmeninternen "Zustand" zu der Zeit zu tun.



    So, ist ja wieder ein Riesentext geworden ...

    ... und völlig irrelevant. Nur für Historiker spannend. Und außerdem alles Mutmaßungen. ;)



    für die eigene Meinungsbildung gibt es hier einen der wenigen Auftritte des Herrn T.

    -- 1982 gab es keinen Raspberry Pi , aber Pi und Raspberries

  • Die Sun3x hatte einen 030er/20Mhz und kam 1989 auf den Markt.

    Der Wikipedia-Artikel sagt, dass die Rechner von 1989 schon den Sparc-1-Prozessor hatten. https://en.wikipedia.org/wiki/Sun-3

    ... und völlig irrelevant. Nur für Historiker spannend. Und außerdem alles Mutmaßungen.

    Aber sehr schlüssig zusammengefasst! Posting des Tages!

    1ST1

    • Offizieller Beitrag

    Der Wikipedia-Artikel sagt, dass die Rechner von 1989 schon den Sparc-1-Prozessor hatten. https://en.wikipedia.org/wiki/Sun-3

    In 1989, coincident with the launch of the SPARCstation 1, Sun launched three new Sun-3 models, the 3/80, 3/470 and 3/480. Unlike previous Sun-3s, these use a Motorola 68030 processor

    • Offizieller Beitrag

    Mädels, müßt ihr eigentlich immer die Threads zumüllen? Hier stehen mitlerweile eingebettet in den ganzen Schmutz richtig wertvolle Infos drin...

    Ich räum hier demnächst mal auf.

    Ich hab' die Offtopic-Mails mal verschoben: Offtopic aus Amiga-Spielemaschine oder mehr?

    Denn Feindschaft wird durch Feindschaft nimmermehr gestillt; Versöhnlichkeit schafft Ruh’ – ein Satz, der immer gilt. Man denkt oft nicht daran, sich selbst zurückzuhalten; Wer aber daran denkt, der lässt den Zorn erkalten. Sprüche von Buddha, aus dem ‹Dhammapada›.


    Mein Netz: Acorn | Atari | Milan | Amiga | Apple //e und IIGS | Macintosh | SUN Sparc | NeXT |SGI | IBM RS/6000 | DEC Vaxstation und Decstation| Raspberry Pi | PCs mit OS/2, BeOS, Linux, AROS, Windows, BSD | Stand-alone: Apple //c und III | Commodore 128D | Sinclair QL | Amstrad | PDAs

  • Hier mal noch als Ergänzung zum "Führungsstil" innerhalb CBM eine Doku - die auch aus anderen Gründen recht hübsch ist - welche da ein paar schöne Einsichten vermittelt, wie "der Laden" so lief. Und auch warum er überhaupt lief.


    8 Bit Generation: The Commodore Wars (2016 documentary)

    leider nur in englisch, dafür mit den "echten Charakteren". Wer nur den finalen Teil - den Showdown - sehen mag, startet am Besten bei 1:19:34, verpaßt aber dann aber, warum 6 Monate so wichtig waren und was es mit den Samurais vom Anfang auf sich hat.


    Als Ergänzung noch einen TED Talk mit Leonard Tramiel.



    ( Ach, und: Akira Kurosawa - Die Sieben Samurai , sollte man mal gesehen haben ... den gibts dann auch in deutsch )

    -- 1982 gab es keinen Raspberry Pi , aber Pi und Raspberries

    • Offizieller Beitrag

    Amiga-Programmierung verlangte hohe Disziplin und belohnte mit Eleganz


    Es ist nach heutigen Maßstäben eigentlich kaum mehr zu glauben, dass das Amiga

    ohne MMU oder virtuellen Speicher auskam, und trotzdem alles so gut funktionierte.

    Jedes Programm das auf einem aktuellen Betriebssystem läuft, haust im Grunde wie eine Made im Speck: Es kann sich aufführen wie es will - Speicherlecks, illegale Speicherzugriffe, Array-Überläufe - in vielen Fällen hat das überhaupt keine (sichtbaren) Konsequenzen, da die MMU-Hardware nur mit Page-Granularität arbeitet und "kleinere Verbrechen" gar nicht bemerkt.

    Tools wie Valgrind können solche Fehler zwar häufig finden, jedoch benützen nicht alle Entwickler sie, und außerdem ist der Einsatz solcher Tools oft aus Performance-Gründen nicht für zeitkritische Applikationen geeignet.

    Vor allem aber isoliert der durch eine MMU ermöglichte virtuelle Adressraum aktueller Betriebssysteme solche fehlerhaften Programme vom Rest des Systems, und verhindert dass ihre Fehler direkte Auswirkungen auf andere gleichzeitig laufende Programme haben.

    Am Amiga gab es diesen Schutz nicht, zumindest nicht in den populären Modellen, da erst die höheren Modelle der 68000er-Serie eine MMU besaßen.

    Statt virtuellem Adressraum gab es dort physischen Adressraum.

    Jedes einzelne Programm konnte durch den winzigsten illegalen Speicherzugriff das System unwiderbringlich schädigen, so dass ein Neustart nötig wurde nach welchem alles wieder in einem definierten Zustand war.

    Weiters räumte das Amiga-OS nicht "hinter Prozessen her", wie man das heutzutage als ganz selbstverständlich erachtet. Der ANSI-C-Standard garantiert es einem sogar.

    Aber am Amiga herrschten rauere Sitten: Wenn ein Programm dort vergaß auch nur einen einzigen Speicherblock den es dynamisch alloziert hatte wieder frei zu geben bevor es beendet wurde, war dieser auf ewig (bzw. bis zum nächsten Neustart) für das System verloren.

    Wer eine Datei öffnete, aber nicht mehr schloss, blockierte diese Datei bis zum Neustart.

    Wer einen Button in einem Dialogfenster erzeugte aber vergaß ihn wieder zu zerstören, verlor ebenfalls Speicher.

    Nichts davon wurde automatisch wieder freigegeben, nur weil das Programm beendet wurde.

    Es war daher eine extrem hohe Disziplin beim Programmieren erforderlich um Programme zu schreiben, die auch im Falle von Fehlermeldungen nicht vergaßen ihre allozierten Ressourcen wieder frei zu geben, denn niemand anderer tat es für das Programm. Diesbezüglich schlecht geschriebene Programme erlangten bald den Ruf "Ressourcenfresser" zu sein, und waren unbeliebt bei den Anwendern.

    Das führte dazu, dass Programme am Amiga sehr viel sorgfältiger, professioneller geschrieben wurden, als es auf heutigen Betriebssystemen nötig ist.

    Die Disziplin wurde noch dadurch verstärkt, dass damals praktisch ausschließlich mit C und Assembler gearbeitet wurde; Scriptsprachen wie Perl oder Python die einem das Leben leicht machen, waren damals kaum verbreitet.

    Selbst C++ welches einem dank seiner Destruktoren viele Mühen beim Freigeben von Ressourcen ersparen kann, war am Amiga wenig verbreitet. Wohl auch da C++ erst mit dem 1998-Standard wirklich brauchbar wurde, und das war bereits lange nach der Hochblütezeit des Amiga.

    Doch die Mühe lohnte sich: Erstaunlich wenige Programme brachten den Amiga zum Absturz. Zumindest keine "ernsthaften Anwendungsprogramme" wie Textverarbeitung, Datenbanken, Grafikeditoren etc. Meist waren es Spiele, die dann ohnehin als einziges Programm liefen weil sie normalerweise den ganzen Bildschirm für sich beanspruchten.

    Die Zeit mag meine Eindrücke an damals etwas verklärt haben, aber ich glaube dass der Amiga wesentlich seltener abstürzte als das spätere Windows 95/98/ME welches wesentlich mehr Hardware-Ressourcen verbriet und von teuer bezahlten Microsoft-Entwicklern programmiert worden war. Während am Amiga viele unbezahlte Hobbyprogrammierer unterwegs waren, und scheinbar trotzdem deutlich besseren Code hervor brachten. Erst mit Windows NT wurde Windows wieder halbwegs stabil und man bekam nicht mehr ständig "Bluescreens" zu sehen.

    Ein weiterer Vorteil dieser hohen Ansprüche an die Entwickler waren als Folge entsprechend gute Programmierer: Es gab am Amiga kaum lausige Programmierer. Die kamen nicht weit, weil die Kiste dann rasch abstützte.

    Das bewirkte auch einen Lerneffekt mit positiver Rückkopplung: Auch Programmierer die am Anfang unfähig waren, lernten rasch welche Schlampereien sie sich beim Programmieren nicht mehr erlauben durften, damit ihre Programme ohne Absturz des Rechners liefen. Und jeder Neustart nervte. Eine "gesunde Ohrfeige" sozusagen vom Computer an den Entwickler, die ihn besser als jede Programming-Guideline *lehrte* gute Programme zu schreiben.

    Durch diese Zwangsmotivation wurden die Entwickler immer besser.

    Auch der wunderschöne Befehlssatz der 68000-CPU - zumindest verglichen mit dem damals aktuellen 8086 und 80286 - war sicher ein Grund, warum der Amiga trotz der Mühen so beliebt bei Programmierern war.

    Ich selbst habe Assembler-Programmierung weder vorher noch Nachher jemals so genossen wie am Amiga. (Am C64 war es auch schön, aber sehr viel mühsamer wegen der geringen Anzahl an Registern und Befehlen. Und heute lohnt sich Assembler zu wenig, da auch C und C++ beinahe genau so schnell sind.)

    Das lag auch daran, dass man damals noch die Ausführungszeit eines Programmes ausrechnen konnte, indem man Taktzyklen zählte und das effizientest mögliche Assembler-Programm für eine bestimmte Routine verfassen konnte. Heute ein Ding der Unmöglichkeit, da die Ausführungszeit eines Befehls von so vielen verschiedenen Faktoren (Cache, Paging, Translation-Buffers, Pipeline-Auslastung, freie ALUs, Temperatur-Drosselung, verbauter RAM-Typ, Prozessor-Modell) abhängt dass niemand mehr eine bestimmte Ausführungszeit garantieren kann.

    Ein weiterer Vorteil war, dass viel Overhead wegfiel, die bei aktuellen Betriebssystemen unvermeidlich ist.

    So war beim Amiga beispielsweise der Unterschied zwischen "User Mode" und "Kernel Mode" kaum vorhanden. Gerade mal eine Hand voll privilegierter Befehle für Interrupt-Verarbeitung gab es; alles andere konnte "User Mode"-Code genau so gut erledigen. Insbesondere konnte er auf Hardware den gesamten physikalischen Speicher zugreifen. Es gab daher kaum je einen Grund in den privilegierten Modus der CPU umzuschalten, und nur Code der Interrupts verarbeiten musste (wie etwa der Task-Scheduler dem der Ablauf einer Zeitscheibe durch Interrupts gemeldet wurde) machte typischer Weise davon Gebrauch.

    Privilegierte Speicherzugriffe waren überhaupt kein Thema. Das machte ohne MMU auch keinen Sinn, da man ohne eine solche den Speicher oder andere Prozesse ohnehin nicht für unerlaubten Zugriffen schützen konnte.

    Als Konsequenz war das AmigaOS von Konzept her faszinierend einfach aufgebaut, ohne dadurch aber irgendwelche Einschränkungen zu erzwingen. System-APIs waren einfach Shared Libraries, und sogar das Kernel selbst war nichts weiter als ebenfalls eine - wenn auch spezielle - Shared Library.

    Man musste damals keine "Traps" oder "Software Interrupts" oder "Call Gates" aktivieren oder spezielle CPU-Instruktionen bemühen, damit ein Benutzerprogramm eine Kernel-Funktion aufrufen konnte; es handelte sich um einen ganz normalen Unterprogrammaufruf ohne speziellen Overhead. (Von einem indirekten Sprung abgesehen, da Shared Libraries an beliebige Speicheradressen geladen worden sein konnten.)

    Eben so billig war der heute so gefürchtete "Context Switch" wenn ein Prozess zu viel Rechenzeit verbrauchte, und der Scheduler auf einen anderen umschaltete: Gerade mal die 16 Register (und ein paar wenige Spezialregister wie Statusregister) mussten beim Wechsel gesichert bzw. wieder herstestellt werden.

    Man vergleiche das einmal mit dem Aufwand einer modernen x86-CPU, die neben den allgemeinen Registern noch jede Menge zusätzliche FPU- und MMX-Register hat die in Summe eine ganze Menge Platz als Zwischenspeicher belegen - und die bei jedem Context-Switch umkopiert werden müssen.

    Der Amiga hatte hingegen nicht einmal eine FPU deren Register er hätte sichern müssen - zumindest nicht die populärsten Amiga-Modelle.

    Oder die Kommunikation mit anderen Prozessen: Wo heutzutage Pipes, Page-Switching oder Memory-To-Memory-Copy benötigt wird, verwendete man am Amiga einfach "Message Ports".

    "Messages" waren simple C-Structs in einer doppelt verketteten Liste, wurden normalerweise immer In-Place bearbeitet ohne dass etwas durch die Gegend kopiert werden musste, und der größte Overhead war der Aufruf der Funktionen zur dynamischen Speicherallokation. Und selbst den ersparte man sich falls man schon vorher wußte dass man von einer bestimmten Message nicht mehr als ein Stück gleichzeitig brauchte. Dann konnte man die "Message" sogar als schlichte lokale Variable "allozieren"!

    Mir gefiel auch die dynamische Eleganz des Systems: Nur die Speicheradresse 4 war fix vordefiniert. Dort fand man einen Zeiger auf die Shared-Library welche den Kernel beinhaltete, vor allem aber auch die Funktion zum Finden anderer Shared Libraries (über den Namen). Das ist bei modernen Betriebssystemen zwar auch nicht anders, aber damals war es ein ziemliches Novum da die Heimcomputer damals fast alle "Memory Maps" hatten wo bestimmte Speicherzellen fest für bestimmte Verwaltungsinformationen reserviert waren. Am Amiga gab es nur eine einzige solche Speicherzelle. Daher war das AmigaOS sehr viel leichter erweiter- und anpassbar als andere damals verbreitete Homecomputer-Kernels.

    In das elegante Konzept passte auch, dass am Amiga Gerätetreiber ebenfalls nichts anderes als normale Shared Libraries waren, nur mit bestimmten Funktionen die sie zwingend implementieren mussten, und der Möglichkeit eigene Treiber-Prozesse zu starten die permanent liefen solange das Gerät aktiv war.

    Ein weiteres Meisterstück der Effizienz war der Prozess-Scheduler des Amiga: Ich habe einmal ausgemessen was für einen Overhead das laufende Multitasking hatte, und wie viel man sich ersparen konnte indem man es abschaltete und die Maschine komplett übernahm. Das Ergebnis: Nicht mehr als 2 oder 3 Prozent! Da zahlte es sich kaum aus, die Maschine durch ein Programm komplett zu übernehmen. Der Overhead für das Multitasking war einfach zu gering.

    Beeindruckend war auch, dass das Multitasking am Amiga wesentlich flüssiger war als alles was ich am PC - egal ob Windows oder Linux - je gesehen habe. Was um so erstaunlicher war, als er nur einen "Kern" hatte der rechnete, und Multitasking daher nur durch periodischen Taskwechsel simulieren konnte.

    Trotzdem lief damals alles absolut ruckelfrei und nichts "eierte", zumindest wenn man die Prioritäten der Prozesse korrekt einstellte.

    Fairer Weise muss man sagen dass das Multitasking des Amiga strikt von Task-Prioritäten gesteuert wurde: Solange Tasks mit höherer Priorität Rechenzeit beanspruchten, bekam einer mit niedriger Priorität *niemals* Rechenzeit.

    Man sollte meinen, damals hätte deswegen ständig alles hängen müssen - aber so war dem nicht. Im Gegenteil, das Benutzer-Interface reagiert auch unter schwerster Last immer sofort. Und wenn wirklich ein Prozess zu wenig Rechenzeit bekam, konnte man die Prioritäten jederzeit entsprechend ändern bis es wieder passte.

    Wenn ich mir heute die Diskussionen über "Fair Scheduling" ansehe und die traurigen Ergebnisse von ruckelnden, einfrierenden Tasks, frage ich mich oft wirklich ob das alles ein guter Fortschritt seit den Amiga-Zeiten war.

    Der Umstand dass der Amiga nur einen Rechenkern hatte, führte überdies dazu dass man sich nie speziell darum kümmern musste, dass nicht zwei Kerne zur selben Zeit auf dieselbe Speicherstruktur zugriffen: Spinlocks, Mutexes, Critical Sections etc. die einem heute das Leben schwer machen sparte man sich damals zu einem großen Teil. Nicht ganz, da ja trotzdem mehrere Prozesse um dieselbe Ressource streiten mochten und Hardware-Interrupts gab es ebenfalls, aber zumindest in vielen Situationen.

    Und dabei war alles was ich bisher erwähnt habe nur die Software- und Betriebsystem-Seite des Amiga.

    Ich kam noch gar nicht auf die ganzen Features der diversen Hardware-Chips zu sprechen. Aber das lasse ich, da dieses Posting schon lange genug ist und andere das bereits erwähnt haben.

    Ich sage daher nur noch eines: Schönen Geburtstag, lieber Amiga! (Interessanter Weise bei den meisten deutschsprachigen Fans ein "er" obwohl jeder wusste dass es "Freundin" bedeutet - fragt mich nicht warum!)


    '''''''''''''''''''''''''''''


    hab hier mal komplett von den Kommentaren aus https://www.heise.de/newsticke…-gratulieren-2752244.html zitiert.

  • Toshi... Ein echter Fanboy :streichel:

    Aber Hut ab, schön geschrieben. War sogar für mich interessant zu lesen.


    Liebe Grüsse,


    Uli

    :fp: Was tu ich hier eigentlich ? :sfreud:

  • Ein wirklich sehr interessanter Artikel. Leider muss ich zugeben, dass ich, obwohl ich mich damals auch am Amiga ein bisschen mit Assembler beschäftigt habe, vieles nicht verstehe was der Artikelschreiber beschreibt... Ärgere mich, dass ich damals zu schnell auf das wesentlich einfachere GFA-Basic umgestiegen bin, ohne die wirklichen Internas des Amiga richtig kennen zu lernen.


    Naja, habe jetzt aber endlich das Assemebler Buch was ich gesucht habe gefunden. Wie sagt man so schön ? Es ist nie zu spät :)


    --

    Elaay (aka WStyle) - Commodore 4 Ever !


    there are 10 types of people in this world, those who understand binary and those who dont

    • Offizieller Beitrag

    Naja, habe jetzt aber endlich das Assemebler Buch was ich gesucht habe gefunden. Wie sagt man so schön ? Es ist nie zu spät :)

    Denke ich auch, bei mir wars halt zuerst AmigaBasic, dann Amos und zuletzt Pascal. Assembler fand ich die Einstiegshürde zu hoch. Hatte niemand, den ich fragen konnte und dann recht schnell frustriert aufgegeben, heute ist die Informationsbeschaffung ja zum Glück einfacher!

  • Hallo.


    Sorry falls es schon einer gepostet hat, habe jetzt hier nicht jeden Post durchgelesen. Aber Rainer Benda (ehmaliger Mitarbeiter bei Commodore) hat

    damals alles aufgeschrieben was aus seiner Sicht bei Commodore alles falsch gelaufen ist.


    https://www.amigafuture.de/kb.…92c5017aa402ed3de123a7015


    Schade der Amiga war ein wundervoller Computer, und ich benutze ihn heute noch gerne :)


    Grüße,


    Murmel

  • Prima, der Diskussionsthreat kam nun zu einem klaren und eindeutigen Ergebnis.


    Ich hoffe wir können das Thema vorsichtig auslaufen lassen und beenden.

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    Habe vor kurzen ein Diablo-Laufwerk bei einem Sammler gesehen! Das wird auch von Xerox Alto benutzt.

    Wer irgendwo Hardware, Software oder Handbücher zu Xerox Star, Xerox Alto, Datapoint 2200 sichtet - bitte sofort melden :!:

  • Nur die miese grafik-infrastruktur fehlt, weswegen es kaum Grafikkarten gab die spielerauglich sind.

    Ich habe hier im Thread gelernt dass der Amiga 1985 eine absolut überlegene Infrastruktur hatte für Grafik- und Sound.

    Darf ich fragen wie Du das meinst?


    Soweit ich weiß gab es zudem auch interessante Möglichkeiten statt Karten Custom Chips zu verwenden.


    Es wurde hier wirklich sehr detailliert und kenntnisreich dargelegt.

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  • All das über Software-Entwicklung auf dem Amiga lässt sich 1:1 auch über Software-Entwicklung auf dem ST, und eingeschränklt auch über MS-DOS Win 3.x PCs wiederholen. Oder Archimedes, usw. Ok, ein einfacher ST hatte kein Multitasking, aber auch der MiNT Kernel oder Magic waren sehr effizient. Und Mint sogar noch POSIX-kompatibel...


    Die Komplexität heute, bei Linux, Windows und Mac OS kommt daher, weil die Systeme heute wesentlich komplexer sind, Hardware ist für den normalen Programmierer nicht mehr direkt ansprechbar, aber das soll er ja auch nicht mehr.


    Nutzt aber nix, die meisten Amigas wurden von Lamern zum Zocken genutzt. Drei Tasten auf der Tastatur hätten denen auch gereicht.

    1ST1

  • Nutzt aber nix, die meisten Amigas wurden von Lamern zum Zocken genutzt. Drei Tasten auf der Tastatur hätten denen auch gereicht.

    Schreib das mal im A1k Forum :)


    --

    Elaay (aka WStyle) - Commodore 4 Ever !


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  • Prima, der Diskussionsthreat kam nun zu einem klaren und eindeutigen Ergebnis.


    Ich hoffe wir können das Thema vorsichtig auslaufen lassen und beenden.

    Warum auslaufen lassen ? Solange noch aktiv Diskutiert und noch weitere Informationen hinzukommen ist das doch toll.

    Das belebt nicht nur das Forum sondern stellt auch einen schönen Punkt dar, wo man sich für ein System (in dem Fall halt der Amiga) gut einlesen kann.


    --

    Elaay (aka WStyle) - Commodore 4 Ever !


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    • Offizieller Beitrag

    Nutzt aber nix, die meisten Amigas wurden von Lamern zum Zocken genutzt. Drei Tasten auf der Tastatur hätten denen auch gereicht.

    Ich habe schon mehrfach hier im Thread darum gebeten, im Ausdruck sachlich zu bleiben. Zum Dampf ablassen gibt's andere Foren. Das gilt bitte für alle hier.


    Um auf der Sachebene zu bleiben. An der vorwiegenden Nutzung von Heimcomputern zu Unterhaltungszwecken hat sich damals wie heute doch nichts geändert. Nur das die "Lamer" zum "Zocken" ab Anfang-Mitte der 90er vorwiegend keine Ataris/Commodores mehr genutzt haben, sondern Konsolen und x86er PCs von Vobis/Escom und später MediaMarkt.... Das relativiert aber wenig von dem von mir zitierten Artikel.


    An der Tatsache, daß die meisten A500 wohl vorwiegend von Kindern und Jugendlichen zum Spielen und gelegentlich für "Haus, Hobby & Heim"-Anwendungen benutzt worden sind, gibt es wenig Zweifel. Hier im Thread geht es darum, über seinen Nutzen abseits der Unterhaltung zu diskutueren....


    Unglaublich, wie tief der Hass:capone:noch zu sitzen scheint, nach all den Jahrzehnten....

  • BeniBluemchen Soweit ich weiss hatte GEM schon eine Treiberstruktur für die Grafikausgabe so das man rel. leicht (im Gegensatz zum Amiga) andere Grafiksysteme nutzen konnte.


    Und dann kommt natürlich hinzu, das viele vom C64 auf dem Amiga gewechselt sind und man dann direkt die HW angesprochen hat statt über die Schnittstellen zu gehen - was dann natürlich bei neuen Systemen Probleme bereitet hat.


    Toshi och, die Gräben sind sehr tief - stände da nicht was, hätte ich nun auch was fieses gesagt *G* (Fand den C64 immer besser als den Amiga ;)

  • Ich kann nur betonen das "Flamen" zu unterlassen. Dies ist nicht erwünscht und kann zu einer Verwarnung durch den Verein führen.

    Darum bitte zweimal überlegen.

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    2 Mal editiert, zuletzt von BeniBluemchen ()

    • Offizieller Beitrag

    Nein!

    Ich verstehe nicht, warum man über manche Themen hier nicht wissenschaftlich (vielleicht ein wenig zu hoch gestochen) aber im Sinne einer technikhistorischen oder gesellschaftlichen Betrachtung diskutieren kann. Die Ergebnisse davon finde ich hochspannend, nicht uninteressanter als an meinen alten Kisten herumzulöten. Sicher auch andere ( Kobrakai) Warum / in welcher Weise bestimmte Erfindungen / Produkte der Datenerverarbeitung unsere Kultur, das Arbeitsleben und das Freizeitverhalten wie geprägt und beeinflußt haben. Vielleicht habe ich auch zuviel erwartet. Aber das ein Teil hier solche Threads immer in Lächerliche ziehen muß finde ich einfach schade.


    Ich mag das Forum hier wegen der wie ich finde recht hohen Qualität der Fachbeiträge und des guten Umgangstons. Ist ja nicht so, daß wir hier keinen Spaß dulden, aber dafür gibts auch Laberecke und Co.

  • Die kulturhistorische Bedeutung des Amiga leitet sich letztlich ab durch die treue Anhänger die eln festes Bündnis mit ihm eingegangen ist.


    Es ist elne wahre Subkultur entstanden ähnlich wie die GOTHIK-Szene mit eigenen soziotypischen Merkmalen.

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