Parcp-USB: Dateiübertragung zwischen MS-DOS/Win9x-System und Modern

  • Das Problem haben hier viele, wie bekommt man vom aktuellen PC Daten rüber auf den MS-DOS- oder Windows-9x-PC? Oder mal ein Backup von der alten Kiste machen?


    Natürlich ist es einfach, wenn der alte PC über USB oder Netzwerk verfügt, und man auf der modernen Seite per Netzwerk zugreifen kann, in dem man eine Dateifreigabe auf dem Win 9x / 3.x PC ansprechen kann, oder umgekehrt. Oder wenn man per USB-Stick, Fat32 formatiert, Dateien hin und her schaufeln kann. Aber so eine Netzwerkverbindung ist nicht unbedingt portabel, die Infrastruktur dafür hat man vielleicht nur zuhause, und es muss erstmal konfiguriert werden, was vor allem auf dem Alt-System eine Herausforderung sein kann, oder auch auf dem Neu-System, weil Windows 10 kein SMB-V1 und kein Netbeui mehr sprechen mag, von Novell-Netware-Light und solchen Dinos garnicht zu sprechen... Und längst nicht jeder Windows 95-PC hat USB, das wurde erst später üblich.


    Also was, wenn nicht?


    Ich nutze hierzu sehr oft ZIP-Laufwerke, die laufen entweder mit dem palmzip-Treiber sogar an unveränderten XTs, oder man steckt eine NEC V20/V30 CPU in den XT und nutzt den Guest.exe Treiber von iomega. Das wird auch weiterhin meine bevorzugte Variante bis einschließlich PCs mit 80286 Prozessor bleiben, bis eine andere Lösung praktikabel ist. Windows 95 erkennt diese Laufwerke sogar automatisch, aber 100 oder 250 MB sind nicht gerade die Welt, wenn man 640 MB oder mehr auf ein modernes System sichern will.


    Zusammenstöpseln, loslegen... Zu schön, oder?


    Viele kommen auch auf die Idee, es mit einem Laplink- oder seriellem Kabel zu versuchen, Laplink, Fastlynx, Interserv/Interlink, Norton-Commander, die können das ja alle... Sofern der moderne PC solche Schnittstellen noch hat, und man Software-Kombinationen für den Alt-PC und den modernen PC findet, die sich miteinander verstehen und nicht allzu umständlich ist, z.B. jede Datei einzeln per Terminalprogramm mit zmodem-Protokoll transferieren, uarghs, nein danke... Aber was ist mit langen Dateinamen, die altbekannten DOS-Programme zur Dateiübertragung können damit nicht umgehen!


    Wie schön wäre es doch, man hätte ein USB-Kabel, was auf der anderen Seite auf die serielle oder parallele Schnittstelle des Alt-PCs passt, und man dann eine Software hätte, damit die Beiden sich miteinander verstehen? Die vielleicht sogar mit langen Dateinamen umgehen kann?


    Also quasi...


    USB am Neu-Gerät...


    ... und ...


    ... USB auf Parallel am alten PC ...?


    Und das ist keine Fatamorgana, das ist gerade jetzt live, das passiert gerade eben, Backup eines Alt-PCs über so eine Verbindung. Sozusagen "Sie baden gerade Ihre Hände darin" wie in der alten Palmolive-TV-Werbung...


    Ich mache gerade auf diese Weise ein Backup dieser Windows-95-Installation und allem anderen auf diesem PC.


    Das ist der "Server", der bedient den "Client" auf der anderen Seite des USB-Kabels.


    Es ist auch egal, auf welcher Seite man den Server, und auf welcher Seite man den Client startet. Man darf nur nicht auf beiden Seiten das selbe starten, das leuchtet sicher ein. Mein Tipp ist allerdings, den Server auf dem Alt-System zu starten, zuerst, und dann auf dem aktuellen System den Client, denn über den wird die ganze Sache bedient. Der Client wird auf dem Altsystem, je nachdem wie alt und langsam die CPU ist, möglicherweise tatsächlich quälend langsam.


    So sieht der Client aus, wer sich jetzt an Norton-Commander und Co erinnert fühlt, das ist Absicht. Und genauso einfach ist das Tool auch zu benutzen, wer NC, DCC, Free/Total-Commander und Co kennt, kann auch damit hier umgehen! Links ist der lokale PC, sogar mit einem Netzwerklaufwerk auf Y: und rechts ist der Alt-PC. Man sieht, sogar lange Dateinamen werden unterstützt, sofern der Alt-PC das kann.


    Bei Windows 9x klappt das mit den langen Dateinamen zumindestens, wenn man parserve.exe unter Windows startet, z.B. in der Eingabeaufforderung, im MS-DOS-Modus unterstützt Windows 95 keine langen Dateinamen. Bei einer Komplettsicherung eines Windows 9x PC über ParCP-USB braucht man den DOS-Modus für einzelne Dateien, die unter Windows nicht gelesen werden können, weil Windows selbst offen hat und den Zugriff blockiert. Die muss man also im Nachgang an die Komplettsicherung unter Windows nochmal im MS-DOS-Modus manuell sichern.


    Was braucht man:


    Alt-System:


    - ATARI ST / TT / Falcon, funktioniert sogar unter MiNT, dann auch mit Unterstützung langer Dateinamen auf Ext2- MinixFS oder FAT32-Partitionen

    - MS-DOS-PC ab 80386SX, QEMM386 installiert

    - Windows 9x-PC, QEMM386 installiert


    Bei den Ataris ist nichts weiter zu beachten, außer dass man auf dem TT oder Falcon die für 68030 komplierte Version nehmen sollte. Bei den PCs aber schon:

    - Entweder langsammer Unidirektionaler Parallelport, oder empfohlen EPP, damit gehen so etwa 100kB/s übers Kabel. ECP führt leider zu Fehlern, die Software versucht zwar, selbst von ECP auf EPP umzuschalten, das klappt aber nicht bei jedem PC. Also den modernen PC von ECP auf EPP umstellen, und schon gewonnen.

    - QEMM386 installiert, die Software greift auf die qdpmi-Schnittstelle von QEMM zurück.

    - Unter MS-DOS und Win 9x verwendet man die MS-DOS-Version von ParCP

    - Die aktuelle Version für alle Seiten ist die 4.2.1, aber für MS-DOS und Win 9x empfehle ich die Version 3.90 von parserve.exe zu verwenden, die läuft besser als die 4.2.1.


    Neu-System

    - Windows 2000 bis aktuell 10 20H2, alle Versionen (außer Win RT und Win 10S), egal ob 32 oder 64 Bit. Hier natürlich die Windows-Version von ParCP verwenden.

    - MacOS-Versionen der letzten Jahre

    - Linux

    - Raspberry-Pi


    Für jede der Plattformen gibt es sowohl den Client als auch den Server, und prinzipiell ist es egal, ob ich den Client hier oder dort starte, sofern ich zuvor auf der anderen Seite den Server gestartet habe. Den Client wegen der NC-artigen Oberfläche auf der schnelleren Seite macht Sinn, allerdings kann der Server für das Neu-System auch gleichzeitig mehrere Alt-Systeme bedienen, wenn man entsprechend viele ParCP-USB-Adapter hat...


    Einen Treiber muss man auf dem Neu-System übrigens auch nicht installieren, der USB-zu-Parallel-Adapter meldet sich als Human-Interface-Device ("HID") am Betriebssystem an, also genau wie eine Tastatur oder Maus, nur eben aber mit Funktionen, die nur die ParCP-USB-Software uterstützt.


    Es geht übrigens sogar von Alt-System zu Alt-System, dann braucht man allerdings ein ParCP- oder Laplink-Kabel. Bei PC zu PC kann man dann auch gleich Laplink verwenden, keine Frage. Aber bei PC zu ATARI-ST, wenn man das ParCP-Kabel nimmt, klappt auch das.


    Der USB-zu-Parallel-Adapter muss bestellt werden, kostet 40 Euro, der ist nicht kostenlos und der Schaltplan ist auch nicht öffentlich. Da steckt auch ein Microcontroller drin, der die Übersetzung zwischen USB und dem Parallelport durchführt. Der Rest ist aber kostenlos, die Software steht sogar im Quelltext auf Github - und wartet auf eine Portierung auf 8088, 8086 und 80286 ... und ... den Amiga. Eine Version für den Acorn Archimedes w#re sicher auch nicht verkehrt.


    Weblinks:

    - https://joy.sophics.cz/parcp/parcpusb.html - mit Bestellmöglichkeit für den USB-zu-Parallel-Adapter

    - https://joy.sophics.cz/parcp/parcpdoc.htm - Doku inklusive Belegung des ParCP-Kabels für PC<->ATARI / ATARI <-> ATARI / PC <-> PC - Man beachte auch, dass man ParCP-USB sowohl auf Client als auch auf Serverseite noch konfigurieren kann und teils auch muss. Über die Konfigurationsdatei der Client-Seite kann man auch Batch-Jobs ausführen, z.B. bei Programmstart bestimmte Verzeichnisse kopieren, und vieles mehr.

    - https://joy.sophics.cz/parcp/download.htm - Software-Download

    - https://github.com/joysfera/parcp - Quellcode OpenSource auf Github


    Fazit


    Nicht besonders schnell, aber ohne Konfigurationsorgie einfach benutzen, das klappt damit wunderbar! Ich habe hier mit dem Pentium 100 als Alt-System bisher bei größeren Dateien Übertragungsraten zwischen 70 und 134 MB pro Sekunde gesehen.


    Während ich jetzt hier getippt habe, Fotos gemacht habe, Screenshots gemacht habe, Abend gegessen habe, wurde von den knapp 580 MB Dateien des Pentium 100 Windows 95 Systems schon 380 MB rüberkopiert. Das wird fertig, bevor ich schlafen gehe. Einmal gab es einen Timeout, weil eins der Kids über das USB-Kabel gestolpert ist, aber nach Neustart von Server und Client, und Markieren der noch fehlenden Verzeichnisse gings weiter. Der Client geht auch in existierende Ordner rein und schaut, was aus der Quelle im Ziel noch fehlt und macht genau da weiter.


    1ST1

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  • @1ST1,
    sau cool, wann hast das entdeckt.
    Das ist ja genau das was man braucht für die alten Kisten.

  • Das nutze ich schon seit ca. 2016 oder noch früher. Die Lösung kommt aus der ATARI-Szene, deswegen ist das bei den Freunden der MS-DOS-PCs nicht so bekannt. Habe es hier auch schon öfters erwähnt, wenn nach genau so einer Lösung gefragt wurde, gerade heute wieder. Aber es scheint, ohne ausführlichere Vorstellung hat niemand verstanden, um was es geht.


    Das Backup ist inzwischen übrigens abgeschlossen, bis auf 3 Dateien ist alles rüberkopiert. Die 3 Dateien sind von Windows halt ständig geöffnet, weswegen ich das ganze gerade nochmal mit ausgewählten Verzeichnissen unter c:\windows wiederhole, der PC ist jetzt im MS-DOS-Modus gestartet.

    1ST1

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  • 40€ ist mir grad zu teuer, weil ich es grad auch nicht brauche.
    Aber wenn ich es benötige und dran denke kommt eins her.

    Wieviel solche Stecker würde ich brauchen, um z.B. von einem PC etwas weg zu sichern ?
    PC --> Server denke braucht es nur einen solchen Stecker, oder ?

    Und ein bisschen schade dass es scheinbar keines freise OpenSource Projekt ist.


    mfG. Klaus Loy

  • ParCP-USB ist super - ich nutze das auch schon seit einigen Jahren. Ursprünglich hatte ich es als Datensicherung für meine Atari Rechner verwendet.


    Für alle die noch mehr dazu lesen wollen, hab ich 2015 einen Blogbeitrag dazu geschrieben und ein Video gemacht: https://www.jungsi.de/parcp-usb-retro-atari-st/

  • Deine Seite ist super, ich habe sie aber absichtlich nicht verlinkt, weil du eben nur die Atari-Seite zeigst. Ich wollte mit dem Beitrag hier zeigen, dass dieses Tool auch für MS-DOS basierte PCs einschließlich Win 9x taugt.

    1ST1