Vor zwei Wochen habe ich einen WANG 720C bekommen. Dabei handelt es sich um einen programmierbaren Tischrechner in DTL-/TTL-Logik mit 2-zeiliger Nixie-Röhrenanzeige, Kernspeicher und handgefädeltem Microcode-ROM. Programme und Daten konnten auf Kassetten gespeichert werden. Diese Geräte wurden von 1970 bis ca. 1973 hergestellt und kosteten damals je nach Ausstattung zwischen 23.000 und 36.000 DM.
Da auf dem Markt zur Zeit der Entwicklung ab 1968 noch keine Speicherbausteine zur Verfügung standen, baute WANG den Microcode für den Tischrechner mit einem Fädel-ROM auf. Die Baugruppe befindet sich im Boden des Geräts und hat eine Größe von 43 x 31 cm, ist also etwas größer als ein Blatt DIN A3 Papier. Sie ist durch eine Kunststoffabdeckung gegen Beschädigung geschützt.
Dieses Fädel-ROM stelle ich euch hier vor, die weiteren Teile des Innenlebens folgen dann in der nächsten Zeit...
Die gesamte Fädel-ROM-Baugruppe 5938 mit und ohne Kunststoffabdeckung:
Auf der anderen Seite der Baugruppe befinden sich 15 ICs, 74 Transistoren, 1.864 Dioden und etliche weitere Bauteile:
Der aktive Teil des Fädel-ROM besteht aus elf quadratischen Kunststoffstrukturen, von denen jede vier U-förmige Ferritkerne enthält. Jede dieser Ferritkerne dient als kleiner Transformator, mit Primär- und Sekundärwicklungen. An einem Bein des U-förmigen Kerns befindet sich eine Drahtwicklung, die mit einem Leseverstärker verbunden ist. Diese Wicklung ist die Sekundärwicklung des Transformators. Der andere Schenkel des "U" trägt die Primärwicklungen. Wenn einer der Drähte, der um die Primärseite des "U" gewickelt ist, einen Stromimpuls erhält, wird dieser in die Sekundärwicklung induziert, durch einen Leseverstärker verstärkt und durch die Logikschaltung ausgewertet. Insgesamt 43 dieser Ferritkerne werden verwendet, um das 43 Bit breite Microcode-Steuerwort zu bilden, das den Wang 720C Tischrechner steuert.
TTL-ICs dienen zusammen mit der riesigen Matrix aus 1.792 Dioden zur Dekodierung und Auswahl der Microcode-Adresse aus einer der 1.792 einzelnen Wortzeilen. Wenn eine bestimmte Wortleitung dekodiert wird, fließt ein Stromimpuls durch einen der 1.792 Drähte. Die Wortleitungsdrähte laufen in 28 Bündeln zu je 64 Drähten von der Auswahllogik durch einige Kunststoffdrahtführungen nach oben durch die Reihe der 43 Ferritkerne, wobei die Einzeldrähte um einen Stab gewickelt sind, wenn eine "1" für dieses Bit kodiert werden soll oder den Stab umgehen, wenn eine "0" kodiert werden soll.
Insgesamt sind in dem Fädel-ROM 1.792 Worte zu je 43 Bit gespeichert, das entspricht 77.056 Bit. Auf der Leiterplatte ist Platz für maximal 2.048 Worte vorgesehen, es sind aber nicht alle Bauteile dafür bestückt.
Der Prototyp des Fädel-ROM wurde aus über 1.500 m Fädeldraht hergestellt, was 6,5 Wochen dauerte. Die später in Serie gefertigten Baugruppen wurden überwiegend von Hand mit Unterstützung eines von WANG entwickelten und patentierten "Webstuhls" hergestellt, der selbst von einem Fädel-ROM gesteuert wurde. Das dauerte pro Stück dann "nur" noch fast einen ganzen Arbeitstag. Die Nachfolgemodelle dieses WANG-Tischrechners erhielten dann die ersten auf dem Markt verfügbaren ROM-Bausteine, was Aufwand und Kosten der Herstellung drastisch reduzierte.