Ein Blick in die Zeit, als es AppleBus-Karten aus Taiwan gab

  • Hallo,

    AppleBus-Karten aus Taiwan waren vermutlich eine der ersten Etappen der Elektronikfertigung in Taiwan für den Weltmarkt. Sie bauten alles nach. Manches perfekt, vieles nachlässig, anderes eher dilettantisch. Es begann um 1980 herum mit Apple-II-Hauptplatinen. Dazu kamen die damals üblichen Erweiterungskarten wie den Diskettencontroller, die Language Card, Super Serial Card und Karten von Drittfirmen wie z.B. die M$ Z80 Softcard oder die EPSON-APL-Druckerkarte. Im Laufe der Jahre kopierten sie auch Karten von kleineren Anbietern, sogar welche, deren kommerzieller Erfolg eher weniger aussichtsreich war als der von Applied Engineering. Die Taiwanesen waren teilweise sogar kreativ: es gab den Apple-II-Hauptplatinennachbau GTAC-2 ohne Slotstecker 4, dafür mit auf der Hauptplatine integrierter Z80-Karte. Die Language Card war ebenso in den 64kB integriert, dafür mußten die ROMs auf eine separate Karte weichen, weil der Platz fehlte. Das war ein sehr gut verkaufter Apple-II-Nachbau.

    Hierzulande brach der Apple-II-Markt im Jahr 1986 ein, nachdem die Apple-II-CP/M-Jünger schon ein Weilchen in den MS-DOS-8088-4,77-MHz-Markt wechselten, und dann viele andere mit Erscheinen von Atari ST und Amiga dorthin. Sogar der Peeker verabschiedete sich Anfang 1987 vom Markt. So kam es wohl, daß der regionale "Pollin" aus Karlsruhe, also Bühler-Elektronik, diverse Überbleibsel aus dem kurz zuvor noch umsatzkraftigen Marktsegment verramschte. Bühler war seinerzeit in der südlichen Waldstraße ein relativ normaler Elektronikladen. Es gab eine lange Theke und dahinter hunderte Sortimentsschubläden, wo man im Tante-Emma-Stil seine Einkaufslisten abarbeitete. Sie hatten die in den 1980er Jahren obligatorische Lautsprecherselbstbauecke mit mehr oder weniger esoterischen Bauteilen. Und sie hatten einen zweiten Ladenteil im 1. OG. Dieser Teil war nicht dauerhaft geöffnet und barg echte Schätze :) Es war wohl im Laufe des Jahres 1987, als Bühler kartonweise Apple-Nachbauplatinen aus Taiwan als Leerplatinen verramschte. Ich schlich bei mehreren der seltenen Öffnungstermine um die Kartons und kaufte letztendlich so einiges ein.

    Eine GTAC-2-Hauptplatine habe ich zum komfortablen 6502-EMUF aufgebaut. Der kam sogar in ein 19"-Gehäuse. Eine Kopplung zu meinem "großen" Apple IIe kam dazu: parallel und bidirektional mit Hilfe von 6522-Karten. So wurde dieser EMUF zum Hilfsrechner vom "großen".





    Ich entdeckte Leerplatinen des EPROM-Brenners AP64e. Diese Karte hat als zentralen Chip einen 6821. Eine gute Sache :) Davon kaufte ich einen ganzen Stapel. Die erste Karte wurde recht schnell nur mit dem notwendigsten bestückt, um ein paar GPIOs (damals noch nicht so genannt) zu haben. Danach noch weitere ...




    1988 suchte ich eine serielle Schnittstelle für den Apple II, die mehr als 19200Baud kann. Das war nach meinem damaligen Verständnis die Obergrenze der Super Serial Card, die ich selbstverständlich (als Taiwan-Nachbau) hatte. So suchte ich Seriellchips für höhere Datenraten und fand den 6850. Beim Vergleich der Pinbelegungen fand ich, daß der 6850 prima zum Layout des 6821 paßt, wenn man ihn in seinem 24poligen Gehäuse nur "kreativ" mittig in den 40pol. Sockel setzt. So entstand meine Seriellkarte mit dem 6850, die mit austauschbaren Oszillatoren zu verschiedenen Seriellgeschwindigkeiten überredet werden kann. Da nach meinem damaligen Verständnis die V.28-Leitungstreiber 1488/1489 für maximale 19200Baud zu gebrauchen waren, entschied ich mich für V.11-Leitungstreiber, wie sie im Mac und auch in meinem Proteus-Rechner eingebaut waren. Die versprachen utopische Seriellgeschwindigkeiten bis 2Mbit/sec, also ausreichend :) Diese Karte lief dann mit meiner Terminal-Emulation im Apple IIe für das OS-9 vom Proteus-Rechner zunächst mit 38400, später mit 57600Baud. Eigentlich sollte das ja nur ein EPROM-Brenner sein ;)




    Bei Bühler hatte ich weitere Steckkarten gekauft, von denen ich meinte, daß ich sie irgendwann mal brauchen könne. Eine PAL-Karte war dabei. Ein Reinfall, denn die habe ich damals nicht ans Laufen bekommen, weil ich weder Stromlaufplan noch Ahnung von ihrer Funktion hatte. Lehrgeld :(



    Ich kaufte Leerplatinen, von denen ich eine vage Ahnung hatte, was sie werden könnten: Modemkarten. Nie benutzt. Wer eine haben möchte sagt
    Bscheid :) Eine Karte mit einem 40pol. Chip mittig, bei der ich seinerzeit einen AD- oder DA-Wandler vermutete. Das stellte sich vor rund 4Jahren als korrekt heraus, als ich nach Jahren der sporadischen Suche im Web die erste Erwähnung der Originalkarte aus den USA fand. Ich baute sie daraufhin auf. Man beachte den subtilen Humor der Taiwanesen beim gerade nicht 100%igen Kopieren (Foto ganz unten auf dieser Seite). Zudem bauten die Taiwanesen ganz hinterhältig einen bewußten Fehler ein, der einen der 16 Kanäle erdet. Diese zusätzliche Leiterbahn ist auf der bestückten Karte fast nicht zu erkennen.



    Dann war da noch eine Karte, deren Funktion mir jahrzehntelang schleierhaft war und zu der ich kein Original fand. Vor etlichen Jahren mit Aufbau des Apple II Documentation Project fand ich das Original. Jetzt kam die Lust diese Karte aufzubauen. Der aktuelle Zustand ist dieser, nachdem fast alle Teile nach diversen Beschaffungsaktionen (Danke an einen Foristen :) ) hier angekommen sind.




    Die nächste Aktion wird Waschen und Vervollständigen um ein paar Kabelbrücken sein.


    Das Projekt liegt jetzt erstmal ein bißchen auf Halde ... Erstmal um die Apple II kümmern.

    Gruß, Ralf


    To be continued ...

    Einmal editiert, zuletzt von RalfK ()

  • Hallo Ralf,


    auch von mir vielen Dank :)


    Bühler hat zu einer bestimmten Zeit auch vollständig bestückte Apple II Karten im EG am sprichwörtlichen Ramschtisch zu Schleuderpreisen verkauft. Da haben sich meine Bekannten und ich eingedeckt. Ich habe dort eine RGB-Karte gekauft. Die konnte ich per selbst gelötetem Kabel an meinem 80cm TV mit voll beschaltetem SCART Anschluß betreiben. Zum ersten Mal Apple II in Farbe!! Ich habe dann noch mein Joystick Kabel verlängert und hatte so sehr früh ein Big Screen Gaming Setup :)


    Gruß,

    Oliver

  • Das erklärt das Handbuch :)


    Vorweg: diese Karte wurde im Jahr 1981 entwickelt. Zu diesem Zeitpunkt kam gerade die erste Variante von IBMs PC heraus, die noch nicht sonderlich erfolgreich war.


    ALF lieferte Anwendungsmöglichkeiten für diese Karte mit: eine Arithmetikbibliothek für das Apple-BASIC, bei der der 8088 die komplexen Rechenaufgaben übernimmt und als "mit 5MHz viel schneller" als der 6502 @1MHz gepriesen wurde. Naja, Wunschdenken :) Wenn allerdings ein 8087
    im Spiel ist, kann ich mir vorstellen, daß dies die reine Floating-Point-Rechenleistung spürbar beschleunigt. Wenn man sie braucht ...

    Ein zweites Anwendungspaket sind die "Multiple Event Timer". Das halte ich für eine geniale Idee für damalige Software-Entwickler, denn damit kann man im Code eine kurze Befehlssequenz 6502-Code einbauen, um der 8088-Anwendung ein Signal zu schicken. Diese zeichnet das auf, so daß man im Anschluß nachschauen kann, in welcher Abfolge und zu welchen Zeitpunkten die unterschiedlichen Signale eintrafen. Das ist eine Aufgabe, die einen 8088 gerade noch nicht überfordert, aber doch ein wenig Sinn in sein Dasein bringt ;)


    Die selbstverständliche Möglichkeite ergibt sich aus der Existenz von 4kB EPROM und 2 - 8kB RAM. Zudem gab es eine Erweiterungskarte, die 64 oder 128kB RAM enthält und einen 8087. Mit den zusätzlichen 128kB könnte vielleicht CP/M-86 laufen. Parallel zum 6502.


    Gruß, Ralf

  • Kurze Ergänzung für die, denen ALF AD8088 nichts sagt: auf dieser Karte läuft ein 8088 @5MHz. Das EPROM mit 4kB enthält oben genannte Anwendungen. Der RAM-Ausbau beträgt ab Werk 2kB. Weitere drei 2kB-SRAMs können ergänzt werden. Der 8088 hat über die DMA-Funktion vom AppleBus kompletten Zugriff auf das RAM und die IO der Apple-II-Hauptplatine, d.h. der 8088 kann die Kontrolle übernehmen. Und der 8088 läuft, nicht wie der Z80 auf der M$ Z80 Softcard, tatsächlich parallel.


    Gruß, Ralf

  • Das Foto ist meine eigene Karte. Und sie läuft sogar. Die Erweiterungskarte habe ich aber leider nicht

    Herzlichen Glückwunsch! Du bist der erste Besitzer einer solchen Karte, der mir begegnet :)


    Möglicherweise würde ich mich bald mal an Dich wenden, wenn es um den Inhalt vom (EP)ROM geht. Ich habe zwar ein Image, weiß aber (noch) nicht, ob das validen 8088-Code enthält, denn der Inhalt ist "zerwürfelt". Sowohl Adreß- wie auch Datenleitungen sind nicht 1:1 an die CPU angeschlossen.


    Wg. Erweiterungskarte: ich könnte mir vorstellen eine solche mit einem modernen SRAM und direkt auf den Erweiterungsstecker zu bauen. Die Idee ist vorhanden. Ob sie funktionieren kann, weiß ich noch nicht.


    Gruß, Ralf

  • Hallo zusammen, in meiner Emulation läuft die ALF Karte ja bereits. Man kann prüfen, ob eine ALF Karte installiert ist, indem man die AppleSoft Floating Point Utilities installiert und vorher und nachher eine Rechenopration durchführt, die in AppleSoft eine gewisse Ungenauigkeit hat. Beispiel dafür ist die Operation 7 hoch 2 = 49. AppleSoft gibt 49.0000001 aus während die ALF Arithmetik genau 49 ausgibt.



    Das ALF-ROM-Image, das ich dafür verwende, scheint also korrekt zu sein. Leider fehlt mir eine CP/M-86 Version, um mehr zu testen. Fals Jemand mehr als die mitgelieferten ALF-Utilities besitzt, bitte bei mir melden. Ich versuche seit langem, an das CP/M zu kommen, leider ohne Erfolg.

  • Hallo j.s.com , programmierst Du selber einen Emulator?

    Laut dieser Liste https://www.betaarchive.com/forum/viewtopic.php?t=31080 scheint es sogar ein MS-DOS 1.1 gegeben zu haben, aber das könnte natürlich nur Werbematerial gewesen sein.

    1ST1 dürfte bei der Erwähnung von "Oviletti" Pickel bekommen :fp:


    Ich wäre auch am ROM-Image und Disketten-Images interessiert.


    Herzliche Grüße

    Robert

    NCR DMV/Olivetti M20/ITT 3030/DEC Rainbow 100/Siemens PC-D/OlyPeople/MFA 8085/TA Alphatronic

  • Die Dokumentation/Schaltungsbeschreibung und Fehlersuche bei den Billig-Karten/Mainboards war die Hölle.

    Die PALencoder-Karte war ein gutes Beispiel dafür: Das Video-Signal musste an Slot 7 herangeführt werden und wurde von dort von der PAL-Karte abgegriffen und nicht wie üblich von der Video-Steckerleiste. Der TEXT Softwareschalter wurde von Pin4 vom IC 74LS259 zu Slot 7 geführt, also genau verkehrt herum als bei Apple mit B8-2. Ich glaube es gab praktisch keine Hinweise darauf, auf welchen Klonen die Karte in Slot 7 überhaupt lief.


    Übrigens: Ebenso undokumentiert war dieTatsache, dass viele Billig-Mainbords keinen überarbeiteten Videogenerator besaßen bzw. den der alten Rev.3 des Apple II+, also ohne “H2-Inverter”. Da brauch man sich nicht zu wundern wenn man kein stabiles oder gar kein Bild auf heutigen Displays bekommt.


    Gruß,

    Michael