Olivetti S-2260 - ein japanischer Personal Computer von Ye-Data?

  • Hallo, ich habe heute von einem älteren Kollegen, der bald in Rente geht, einen PC bekommen, den ich nicht "einsortieren" kann. Das war einst der Arbeits-PC von dem Kollegen, den er von seiner damals japanischen Firma, die im Automobil-Zulieferer-Segment elektronische Komponenten an die hiesigen Autohersteller in Wolfsburg, Ingolstadt, München, Stuttgart, Zuffenhausen, Köln und Rüsselsheim lieferte, zum Arbeiten bekam. Ob das ein PC im Sinne von "MS-DOS kompatibel" war, weiß er nicht mehr, das "Ding" startete damals direkt in ein Programm, mit dem er seine Bestellungen und Kundenkontakte verwaltete.


    Das Ding ist als "Olivetti S-2260" gelabelt und in Japan hergestellt worden, offensichtlich von Ye-Data, die man hier eher als Hersteller von "nur" Floppylaufwerken kennt.


    Kommt das irgendjemand bekannt vor? Das Typenschild ist auf jeden Fall "echt", also kein handgeschnitzter Fake, sondern richtig professionell und die horizontalen Linien vor und hinter "S-2260" erinnern durchaus an das Deisgn der Typenschilder und Handbücher von der M20.


    Testen kann ich den vorerst nicht, weil ich keinen Transformator für 100-120V AC auf 230V AC habe. Der Monitor-Anschluss entspricht auch keinem Standard, erinnert aber an den von der M24. Das Ding scheint 4 serielle Schnittstellen zu haben, und diese Art parallelem Druckeranschluss kenne ich bisher auch nur aus der Theorie. Die große abgedeckte Schnittstelle rechts befindet sich auf dem Festplattencontroller, offensichtlich für eine externe (zweite) Festplatte. Der Tastaturstecker sieht ganz normal wie bei XT/ATs üblich aus.


    So sieht das "Ding" von innen aus. Wie man erkennt, die Erweiterungssteckplätze sind mechanisch nicht kompatibel zu ISA. Die ST-506-Festplatte ist leider nicht mehr drin.


    So komme ich auf Ye-Data.


    Unter dem quadratischen Blech könnte durchaus ein 80286 drunter stecken.


    Wenn ich nach Ye-Data F-MC860 / MD860 google, finde ich nichts. Wenn ich nach der Olivetti-Bezeichnung suche, finde ich zwei japanische Online-Verkaufsangebote, sonst auch nichts.


    Weiß da jemand mehr?


  • Das kann ich noch anbieten, ohne die Kiste zu zerlegen. Die kleinen 14-20 Pin sind alles TTLs, oder RAM. Immerhin kann man am Datecode das Jahr 1988 rauslesen. Der AMD-Chip ist laut Google ein "Dynamic Memory Controller"

    1ST1

  • Guten Tag

    1ST1


    Ist bisher nur eine Vermutung,

    Würde aber mit den bisherigen von dir vorgestellten Konstellationen übereinstimmen,


    Habe aber selbst davon, bevor ich die Suchaktivitäten gestartet habe, auch noch nie davon gehört oder gelesen,

  • So, mal weiter geforscht...


    Hier mal Gesamtansicht des Mainboards, ein riesen Teil, größtenteils diskret aus TTL aufgebaut.


    NEC D72065 = Floppycontroller

    NEC D8237AC = DMA-Controller

    AMD Z8530AP = Baud Rate Generator, and Digital Phase-Locked Loop for Clock Recovery

    NEC D8259 = Intel 8259 = programmable interrupt controller


    Ein zweiter 8259, das ist die typische Interruptcontroller-Kaskadierung bei ATs, wo der zweite 8259 an IRQ 2 des ersten Interruptcontrollers hängt.

    NEC D8251AFC = Programmable Com. Interface

    NEC D8253C = Programmable Interval Timer

    NEC D8255AC = Programmable Peripheral Interface


    9 x 4 Stück 50256 RAMs mit 120ns. Also insgesamt 1 MB RAM.



    Die CPU ist wie vermutet eine 80286, mit 8 MHz. Der PC entspricht in seiner Klasse also einem 286er AT, ähnlich wie die Olivetti M28 für Europa und USA (dort als AT&T).



    Hier mal der Festplattencontroller im Vergleich zu einer Soundblaster-Pro-Karte, damit mal die Dimensionen der Erweiterungskarte deutlich wird. An großen Chips sind folgende drauf:

    NEC D8237AC = DMA Controller

    HN5264LP = statisches 8 kB RAM

    NEC D726140 = Integrated Circuit Microprocessor for Hard Disk Controllers


    Das ist eine Karte mit zwei weiteren COM-Ports.


    AMD Z8530AP = Baud Rate Generator, and Digital Phase-Locked Loop for Clock Recovery, kompatibel zum Zilog 8530


    Und jetzt kommen wir zur...



    Grafikkarte. Bis auf die zwei Keramik-ICs ist die komplett diskret aus TTL aufgebaut und riesen groß. Sie kann offensichtlich zwei Monitore ansteuern.



    Der NEC D7220AD hat einen eigenen Wikipedia-Eintrag: https://de.wikipedia.org/wiki/NEC_%C2%B5PD7220


    Zitat

    Der Grafikchip hatte folgende Eigenschaften vorzuweisen:

    • DMA-Fähigkeiten
    • eigene Speicherverwaltung
    • eigener Befehlssatz (zum Zeichnen einfacher geometrischer Figuren wie Kreise, Kreisbögen, Rechtecke usw.)
    • bis 256 KWorte (1 Wort = 16 Bit) Framebuffer ansprechbar
    • max. Auflösung von 2048 × 2048 Pixel darstellbar
    • bspw. 1024 × 1024 Pixel in 4 Farb-/Graustufen-Planes, d. h. 16 Farben/Graustufen[2]
    • Lightpen direkt anschließbar

    Dieser AT hat offensichtlich eine sehr außergewöhnliche Grafikkarte.



    Diese Karte steckt auf der Grafikkarte, darauf sind 12x 41465 DRAMs, jeweils 2 sind zusammen 64k, so dass die Karte 384 kB Videospeicher hat.


    Jetzt fehlt noch ein Bild, kommt gleich...

    1ST1

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  • Das ist die zweite Karte, die auf der Grafikkarte steckt. Da sind 6x Fujitsu 83100 ROMs drauf, jedes hat 128 kB, ich hatte schon das Videobios, Char-ROM usw. vermisst, das dürfte da drin sein.


    Fazit: Es ist ein PC, aber mit einer ungewöhnlichen Grafikkarte, die wahrscheinlich zu nichts kompatibel ist, außer sich selbst. Die Erweiterungsslots sind wahrscheinlich 16 Bit breit, aber proprietär. Das ist momentan der mit Abstand seltsamste AT, den ich bisher gesehen habe. Ich vermute mal, das war ein früher Versuch, einen PC zu bauen, der japanische Schriftzeichen darstellen kann... Die Maschine ist offensichtlich dafür gebnaut, um japanische Schriftzeichen darzustellen, man vergleiche auch zur Entwicklung chinesischer Schriftzeichen auf Computern: https://www.heise.de/hintergru…ten-zu-bauen-6134306.html


    Wäre schön, den mal laufen zu sehen, aber ich habe weder die Festplatte (Software!) noch den passenden Monitor.

    1ST1

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  • Update: Der englische Wikipedia-Artikel ist sehr aufschlussreich, auch wenn er die Ye-Data/Olivetti-Maschine nicht erwähnt: https://en.wikipedia.org/wiki/NEC_%C2%B5PD7220


    Zitat


    The High-Performance Graphics Display Controller 7220 (commonly μPD7220 or NEC 7220) is a video display processor capable of drawing lines, circles, arcs, and character graphics to a bit-mapped display. It was developed by NEC in order to support the Kanji character set efficiently.

    1ST1

  • So ich bin dank einem Hinweis im vcfed-Forum ein bischen weiter. Dieser PC scheint zumindestens teils kompatibel zum PC-98 Standard von NEC zu sein, was ihn allerdings unterscheidet, ist die Form der Erweietrungsslots, die "C-Bus" Slots sehen bei den PC98 Rechnern von NEC und Epson anders aus. Es ist eine an japanische Ansprüche (kanji Schriftzeichen) angepasste MS-DOS-Maschine, wobei dieses MS-DOS von NEC so stark angepasst ist, dass Software von IBM kompatiblem PCs wohl eher nicht darauf läuft.


    Hier ist ein bischen aufschlussreiches Link-Futter dazu, es gibt sicher noch mehr auf japanisch, das erspare ich jetzt aber uns allen.

    Von Olivetti und Ye-Data ist da aber nirgends die Rede.


    Ich habe im Hinterkopf noch, dass ich eine japanische Webseite zu Olivetti-Computern mal gesehen habe, dort werden aber auf japanisch nur italienische Modelle beschrieben, aber den Besitzer der Webseite schreibe ich mal an, mal sehen, ob der noch was berichten kann. Vorrausgesetzt, ich finde diese Webseite wieder!

    1ST1

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