Guten Tag zusammen!
Vorneweg: Mich hatte joachimschwanter auf diesen Beitrag aufmerksam gemacht. Danke Joachim.
Ich habe heute bei Lutz von meinen Besuchen bei der Münchner Großrechnerausstellung erzählt und wollte gerade mal sehen, was sich bei denen tut.
Leider stammt die letzte "Neuigkeit" auf deren Webseite aus dem Jahre 2014, und auch auf der Seite des Computermuseums München ist nur seit Jahren(?) zu lesen, dass die Ausstellung zur Zeit nicht besucht werden kann.
Kennt jemand den aktuellen Status? (Wolfgang?)
Ist damit zu rechnen, dass dort irgendwann mal wieder Betrieb sein wird?
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Ich bin mir nicht sicher, ob Du mit Wolfgang mich meinst, aber ich kenne zumindest einen aktuellen Status. Wer mit meinem Namen nichts anfangen kann, kennt mich möglicherweise von meinen Vorträgen zu Control Data und Cray auf VCFE und VCFB. Ich bin seit 2003 aktives Mitglied bei Cray-Cyber.org und hatte deshalb auch das zweifelhafte Vergnügen, die Wirren der letzten Jahre zu begleiten.
In kurz: uns gibt es noch, die Sammlung gibt es noch, und es wird auch wieder Betrieb geben nebst remote Login. Leider können wir im Moment nur sehr ungenau sagen, ab wann.
In ausführlich: Cray-Cyber.org begann als private Sammlung historischer Großrechner aus dem technisch-wissenschaftlichen Bereich so ca. 1998/1999. Damals hatte das Kind noch keinen Namen. In 2002 wurde dann zusammen mit anderen Alteisensammlern aus dem Großraum München die Gesellschaft für historische Rechenanlagen e. V. gegründet (GfhR e. V.), mit dem wesentlichen Ziel, in München ein Computermuseum zu etablieren, in dem die Geräte laufen, und man die auch anfassen und damit arbeiten kann. Cray-Cyber.org ist darin sozusagen die Großrechnerabteilung. Andere Vereinsmitglieder decken die 8- und 16-bit-Welt ab, wir haben eine nicht ganz kleine Sammlung PDP und VAX, allerlei Unix-Workstations, Einplatinenrechner und eben auch das Großrechnerzeugs.
In 2007 oder 2008 begannen dann Gespräche mit der Universität der Bundeswehr München über eine Kooperation. Die UniBw ist für einige ihrer Forschungstätigkeiten interessiert an funktionsfähigen, alten Systemen, das können wir bieten. Umgekehrt hat die UniBw Ausstellungs- und Lagerfläche, nebst Strom und klimatisierte Gebäude. Win-win also.
2009 sind die Großrechner dann von der Stäblistraße in einen ehemaligen Flugzeughangar der UniBw in Neubiberg bei München umgezogen. Bilder davon hier und hier. Beides Flickr-Sets. Auflage: Wenn die Dachkonstruktion des Hangars (ein sog. Zollingerdach nach dem Architekten Zollinger) durch Windlast oder Schneelast in einen kritischen Zustand gerät, muss die Verwindung des Daches vermessen werden, diese Vermessung hat aus dem Budget des Museums zu erfolgen. Im ersten oder zweiten Winter hatten wir dann Anfang Dezember starke Stürme, das verantwortliche Bauamt hat daraufhin den Hangar vorsorglich gesperrt, und eine Statik-Firma beauftragt mit einem Gutachten, das "wir" bezahlen mussten. Ergebnis: Das Dach hat sich an gegenüberliegenden Ecken um ein paar Zentimeter bewegt (einstellig), an der einen Ecke rauf, an der anderen runter, das Ingenieurbüro wollte keine belastbare Aussage machen zur Stabilität. Also blieb die Halle weiter gesperrt. Es ist ein Holzfachwerkdach. Sowas arbeitet halt. Wir haben dann aus eigener Tasche noch ein weiteres Gutachten mit einem anderen Statiker durchführen lassen. Der hat die selben Veränderungen festgestellt, und seine Unbedenklichkeit ausgesprochen. Was leider nichts half, die Halle blieb weiterhin geschlossen. Es mag eine Rolle gespielt haben, dass kurz vorher in Bayern Dächer von einer Schwimmhalle und einer Eissporthalle unter Schneelast eingestürzt sind, und dabei auch Menschen zu Schaden kamen. Fakt ist: Seit diesem Sturm können/dürfen wir nicht mehr an das große Alteisen ran.
Es ging dann eine lange Diskussion und Planung los über Renovierung/Umbau des Hangars, Neubau eines Museumsgebäudes, oder Renovierung/Bezug eines anderen Gebäudes innerhalb des Geländes. Alles immer zusammen mit der UniBw, wo wir zum Glück Unterstützer haben, die ein Museum für die Universität wollen. Wir sollten dann als Übergangslösung ein anderes – leider deutlich kleineres – Gebäude bekommen, das aber erst noch umgebaut werden muss. In dem Gebäude war vorher das Unteroffizierscasino drin, und so eine Großküche ist halt für ein Computermuseum eher unbrauchbar. Außerdem brauchen wir Doppelboden, etwas andere Stromanschlüsse und Klimatechnik. Das Gebäude war bereits geräumt, und als die Planung fertig war, wurde dann auch mit den Bauarbeiten begonnen. Das dürfte im Frühjahr 2015 gewesen sein, wenn ich mich recht erinnere.
Kurz vor Abschluss der Umbauarbeiten wurde die Baumaßnahme dann umgewidmet von "temporäre Lösung" zu "endgültiges Museum". Das implizierte andere Anforderungen an Fluchtwege, Barrierefreiheit, Lüftung etc. Also Baustopp und Umplanung. Diese Umplanung dauerte im wesentlichen das komplette Jahr 2016. Seit Frühjahr 2017 wird jetzt wieder gebaut, leider hat die Baustelle aber eine untergeordnete Priorität, weshalb Dinge länger dauern, als man es gerne hätte. Ausführende und verantwortliche Einheit ist das für die UniBw zuständige Bauamt. Das ist eine Behörde, und dort dauern Dinge häufig etwas länger. Was nicht alleine der Behörde an sich geschuldet werden kann. Viele dringend notwendige öffentliche Bau- und Bausanierungsmaßnahmen können derzeit in Deutschland nicht durchgeführt werden, weil auf Behördenseite die Sachkundigen für Planung und Bauaufsicht fehlen.
Wir von Cray-Cyber.org haben die Zeit genutzt, uns Zutritt zum gesperrten Hangar erbettelt, und dort immerhin schonmal alle Gerätschaften transportfertig vorbereitet/verpackt, so dass zum Zeitpunkt t "nur noch" ein Staplerfahrer der UniBw die Racks und Paletten innerhalb des Geländes vom Hangar ein paar hundert Meter in das neue Gebäude transportieren muss. Es gibt außerdem eine fertige Ausstellungsplanung nebst Aufstellungsplan für das neue Gebäude. Als GfhR haben wir innerhalb des Gebäudes bereits von der Renovierung ausgenommene Nebenräume im 1. Stock bezogen, und dort sowas wie ein Labor/Werkstatt eingerichtet. Dort können wir immerhin kleinere Geräte reparieren. Wir arbeiten intensiv daran, ein Medienarchiv aufzubauen, leider nur für interne Nutzung, weil da viel Material dabei ist, das noch mit Copyright behaftet ist. Da drin zu finden sind im wesentlichen Dokumentation, Handbücher, Software, CD-Images. Ein paar Leute arbeiten an einer komplett neuen Webseite für ein Computermuseum München, die zusammen mit der Neueröffnung online gehen soll. Zwei unserer Leute kümmern sich intensiv um den Baufortschritt und nehmen sich z. B. auch tagsüber die Zeit, um an Bauplanungssitzungen teilzunehmen etc. Kürzlich passierte meines Wissens die abschließende Elektroplanung. Doppelboden ist fertig, Lüftung/Klima ist installiert. Es passiert also was.
Wenn mich jemand fragt, wann wir denn wieder eröffnen, einschalten, und remote Login wieder möglich sein wird, sage ich derzeit: "Grobe Planung ist 1. Halbjahr 2018". Ich sprach aber auch schonmal von Herbst 2017, Frühjahr 2017 und Ende 2016. Am Ende wird es wohl der Debian-Way werden: It's done, when it's done. Gerade für uns Großrechnerleute ist das ein wenig frustrierend, weil wir jede Menge Arbeit hätten, aber im Moment keine Möglichkeit, die Maschinen auch nur provisorisch wo aufzustellen, um daran zu arbeiten. Dass die Kisten jetzt seit drei Jahren quasi stromlos in einem immerhin trockenen und beheizten Hangar rum stehen, ist sicher auch nicht für jedes System förderlich. Zum Glück sind Control Data und Cray mehr so aus Panzertechnik, die können da einiges ab Ich persönlich bin zudem 2013 von München weg auf's Land gezogen. Wegen der Entfernung und der aktuell stark eingeschränkten Möglichkeiten habe ich mich dann auf Theorie und Bücherstudium verlegt, und halte seitdem halt Vorträge über Firmengeschichte und Hardware-Entwicklung von Control Data und Cray
Wer ein bisschen näher an uns dran bleiben will: es gibt eine Facebook-Gruppe des Computermuseum München, wo insbesondere joachimschwanter und ich regelmäßig Updates posten, und ich twittere gelegentlich (eher selten) Neuigkeiten aus der Alteisenwelt auf @craycyber.
Danke für's Lesen, und danke, dass ihr uns nicht vergesst. Vielleicht haben wir ja 2018 endlich unser lange ersehntes Comeback.
Grüße aus Südostbayern
wolfgang