Was die Verbreitung der Atari-Rechner im Osten angeht, da gab es viele, und auch heute ist die Atari-Szene speziell in Polen noch sehr groß, die veranstalten sogar (fast) jedes Jahr noch eine Demo-Party in Danzig. http://www.sillyventure.eu/en/news
Wenn nach Osteuropas Amigas öfters von den Westverwandten abgegeben wurden, liegt das daran, dass man den Atari doch besser
Zunächst ein Satz zu (2): das konnte man für Amiga auch alles kaufen. Nur gab es die Software mit Englisch als Sprache und ohne polnischer Sonderzeichen. Sowie in der Regel auch ohne Bedienungsanleitung und Handbuch (gekauft auf der "Gielda" (Markt), Euphemismus für Raubkopie.). Da viele des Englischen nicht mächtig waren und auf polnische Zeichen nicht verzichten wollten (sonst sind viele Worte nicht richtig verständlich), führte kein Weg daran vorbei, sich die benötigte Software entweder zu hacken oder komplett selbst zu schreiben. Hätte man hier Atari ST benutzt, hätte man auch alles selbst schreiben müssen.
Den Einsatz beim polnischen Fernsehen sowie in VIdeostudios etc. sehe ich sehr wohl als professionellen EInsatz. Er nutzte eben nur die grafischen Möglichkeiten des Amigas.
In Polen waren in der 8-Bit Zeit Atari XL/XE sehr verbreitet. Aber die ZX Spectrums mit diversen Klonen sowie C64 waren um Längen dominanter. Es gab alljährlich Umfragen der Zeitschrift "Bajtek", wo klar zu sehen war, die der Sarg (Trumna, Spitznahme Spectrums) und C64 bis zu 75% des Gesamtmarktes unter sich aufteilten. Danach erst folgte Atari und weit abgeschlagen Schneider/Amstrad CPC. Das war auch deutlich zu sehen am Zeitschriftenmarkt. Die speziellen "Nur über Commodore" - Ausgaben der Bajtek verkauften sich wie warme Semmeln und hatten viele Ausgaben, die entsprechende "Nur über Atari" - Versionen gab es in homöopathischen Portionen.
Zur Zeit der 16er Biter wurde der Übergewicht von Commodore richtig erschlagend. DIe Amigas haben den Markt praktisch unter sich aufgeteilt, mit großem Anteil des A500, gefolgt von einigen exotischen A600 und später wiederum sehr vielen A1200, die auch gern gewaltig ausgebaut wurden (Beschleuniger, CD ROMs, Festplatten, etc., etc. etc).
Atari ST gab es schon auch einige im Markt, aber sie kamen nicht einmal in die Nähe der Amigas. Diese wurden eher durch aufkommende PCs (vor allem, als diese auch in Polen produziert und damit günstiger waren) bedroht. Atari ST galt in etwa als das, was heute Appel ist: eher für reichere, vermögendere Exoten. Das hat man sehr deutlich auf den Demopartys gesehen: die Wettbewerbe für Amigas waren mit Demos überlaufen. Für Atari ST war man schon froh, wenn man alle Kategorien mit drei Demos abdecken konnte, um wenigstens etwas Auswahl zu haben. Bei zwei großen Partys (ich kann mich nicht erinnern, ob die Katowice oder in Wroclaw) sind die Atari-ST Wettbewerbe sogar komplett ausgefallen, weil keine einzige Demogruppe gekommen ist.
Allerdings war der häufigste Grund für die Amigas nicht unbedingt die "reichen Verwandten aus dem Westen, die ihre alte Rechner ausmusterten", wie hier in Deutschland leider immer noch das Märchen umgeht, sondern tatsächlich die schier unüberschaubare Spielemenge, die hervorragenden grafischen Fähigkeiten sowie der einfache technische Ausbau. So baute man in Polen Speichererweiterungen, Genlocks, Adapter für PC Hardware etc. Bei Atari ST drehte sich eigentlich alles nur um MIDI. Sobald man daher in der Lage war, sich einen 16-Biter zu leisten und kein Musiker war, führte der Weg sofort in Richtung Amiga, weil der eben überall war.
Ich zweifle nicht die Tatsache an, dass Atari ST häufig auch professionell eingesetzt wurde. Das wurden damals alle in einem Umfang, wie heute noch kaum vorstellbar. Ich weiß beispielsweise von einem ZX Spectrum, der in den 80er Jahren in einem Ingenieurbüro eingesetzt wurde, um Statikberechnung einer Eisenbahnbrücke durchzuführen (mein erster Computer, ein Spectrum, war eben der Backuprechner dort, falls der Arbeitssarg seinen Geist aufgibt). Einen Sharp MZ habe ich mal gesehen im Einsatz als Steuerung einer betrieblichen Gleisanlage (wenn auch eigentlich eher als Darstellung der einzelnen Signale optisch). Ich hab mal selbst eine Lichtsteuerung für Schuldisco mit einem C64 programmiert . Wieviele Ataris XL, Spectrums und C64 als Steuerung der heimischen Modelleisenbahn im Einsatz waren, vermag gar nicht mehr zu sagen.
Man hat eben damals nicht den für Anwendung passenden Rechner genommen, sondern dass, was überhaupt da war, und baute ggf. die entsprechende Software eben selbst.
Gruß
Daniel