Hallo erstmals! Da das hier mein erster Beitrag ist, würde ich mich gerne einmal kurz vorstellen: Ich heiße Lukas und bin ein Schüler aus Wien, der über die letzten Monate eine große Liebe zu alter Hardware entwickelt hat. Ich würde meine Beweggründe gerne noch tiefer beschreiben, aber ich denke dann komme ich schnell vom hundertsten ins tausende. Kurzgefasst: Ich habe immer mehr das Gefühl, dass obwohl kaum eine Generation so sehr mit Elektronik ausgestattet ist wie meine, die meisten vor allem die Faszination für die Geschichte der Geräte verlieren, die sie tagtäglich in ihren Händen halten. Ich denke man kann so unglaublich viel von alter Hardware lernen und dass ich hier einen Beitrag über eine Tastatur schreiben kann, die nach mehr als 40 Jahren noch immer funktioniert, ist für mich ein Beweis dafür, dass die digitalen Werkzeuge die wir tagtäglich benutzen nicht nach 4 Jahren schon eingehen müssen. Und da ich selber gerne einmal Ingenieur werden möchte, habe ich eine besondere Liebe zu gutem Design und robuster Hardware entwickelt. Dass so viel davon auf Müllplätzen landet bricht glaube ich nicht nur mir das Herz. Da ich momentan noch mit einem Schülerbudget unterwegs bin und mein Zimmer jetzt schon vor Elektronik de facto überquillt, habe ich mich dazu entschieden meine Aufmerksamkeit auf die Restauration alter Tastaturen zu lenken. Hier würde ich gerne den Restaurationsprozess einer Tastatur vorstellen, die wirklich einen unglaublich tollen Platz in meiner Sammlung eingenommen hat und die ich neben meinem Abitur restauriert habe. Es handelt sich um die sogenannte ,,Beamspring Tastatur'', welche für die IBM 3278 Display-Station hergestellt wurde. Bevor ich damit beginne scheint es mir wichtig zu betonen, dass ich weiß, dass das Sammeln alter Tastaturen in den letzten Jahren zu einem gefährlichen Hype wurde, bei dem alte Systeme auseinander gerissen werden, nur um an diese Keyboards zu kommen. Ich bin klar gegen diesen Trend und nehme nur Tastaturen an, welche einzelnd verkauft werden. Ich werde in diesem Beitrag ziemlich ins Detail gehen und versuchen Schritt-für-Schritt zu zeigen, wie man so ein Gerät wieder auf Vordermann bringt. Großes Dank gilt einem Forum Mitglied, von dem ich dieses Modell abkaufen durfte. Danke Norbert! Viel Spaß und ich hoffe der Guide ist hilfreich!
Ich werde am Ende des Beitrags meine Quellen verlinken, die weitgehend auf Internet Beiträgen basieren. Dies ist kein rein eigenständiges Werk, im Gegenteil: Ich hatte viel Hilfe von anderen Usern und habe mich von ihren Anleitungen inspierieren lassen (besonderem Dank gilt den Internet Usern Darkcruix, Weezer und Muirium). Da mir aber ein paar Dinge noch eingefallen sind und es kaum Deutsche Versionen gibt, wollte ich dennoch eine eigene schreiben. Ich werde diesen Beitrag in 3 Teile gliedern, da ich sonst mit der maximalen Zeichenzahl nicht auskomme.
1) Vorbereitung:
Folgende Materialien werden benötigt:
- 15mm Locheisen
- ganz viele Taschentücher / Putzfetzen
- 2mm Schaumstoff wie beispielsweise EPDM
- Maßband
- Ballistol Rostschutz
- Schere
- Weißer Edding/Marker
- Heißluftpistole oder Föhn
- Kleine Tupperwares für alle Einzelteile
- Schutzhandschuhe
- Ein gutes Stanley-Messer
- 3M Säurefreies Doppelseitiges Klebeband
- Sehr viel Isopropanol Alkohol
- einen guten Arbeitsplatz mit viel Raum
- mildes Geschirrspülmittel
- Atemschutzmaske
- Goo Gone
- Evaporust
- Zange
- und das allerwichtigste: ZEIT - ich habe mir mehrere Wochenenden frei genommen um daran zu arbeiten, weil viele Arbeitsschritte große Genauigkeit und Ruhe benötigen.
2) Die Tastatur auseinander nehmen und ,,grob'' reinigen:
Dieser Schritt ist nicht zu komplex. Auf der Rückseite der Tastatur befinden sich vier Schrauben. Schraubt man diese heraus, kann man den oberen Teil der Hülle abnehmen und beiseite legen. Dieser wird jetzt länger nicht gebraucht. Bevor man den unteren Metall Teil der Beamspring herrausschraubt, sollte man zuerst die ,,Keycaps'' - sprich die Tastenkappen hinunternehmen. VORSICHT: Ich würde ausschließlich einen Keycap-Puller nehmen, wie unten gezeigt. Durch vorsichtiges und nicht grobes vor- und zurückbewegen des Pullers während man leicht nach oben zieht, können sich die Tastenkappen lösen. Besondere Vorsicht sollte man auch bei den größeren Tasten wie ,,Backspace'' walten lassen, da diese feine Plastikstabilisatoren an den Seiten haben, die leicht abbrechen können. Also einfach genug Zeit einplanen und am besten gute und entspannende Musik nebenbei hören. Die Leertaste ist durch einen Draht stabilisiert und sollte auf keinen Fall einfach so herausgezogen werden. Bevor man das machen kann muss man die kleinen Plastikklemmen an der vorderen Seitenfläche der Tastatur vorsichtig mit einem Schraubenzieher herauslösen. Dann einfach mit beiden Händen wieder eine langsame vor- und rückwärts Bewegung machen, währen man leicht nach oben zieht. Nicht wundern: Die Leertaste hängt an zwei Tastenmechanismen auch ,,Switches'' gennant, wobei eine davon beim Tippen nur mitstabilisiert und nicht klickt. Bevor ihr weiter macht solltet ihr mehrere Fotos aus verschiedenen Ansichten machen, damit ihr für das zusammenbauen später Referenzbilder habt.
Im nächsten Schritt ist es wichtig das sogenannte ,,Contamination Shield'' der Beamspring Tastatur abzunehmen. Das kann je nach Modell sehr unterschiedlich ausschauen, ist aber in den meisten Fällen schon weitgehend zersetzt und verbröselt. Eine gutbewährte Methode ist es mit einem nicht sehr groben Pinsel oder einer Pinzette die Überreste zu entfernen. Während man mit dem Pinsel das Plastik löst, sollte man daneben einen Staubsauger halten, damit der Feinstaub nicht einfach nur in die Luft geht. (Nicht vergessen Atemmaske zu tragen - sicher ist sicher!)
Die Keycaps könnt ihr schon in einen seperaten Behälter geben und am besten in einem UV- geschützten Ort verstauen. Den Stabilisationsdraht der Leertaste nicht unbedingt gleich entfernen, da sonst wie in meinem Fall das Plastikloch sehr leicht brechen kann und ihr den restlichen Tag damit verbringen könnt das Kleinteil zu finden, bevor es eingesaugt wird. (Falls jemand eine zusätzliche Leertaste hat, freu ich mich sehr über einene Ersatz) Die Keycaps könnt ihr in ein lauwarmes Bad mit mildem Spülmittel geben und für rund 24h sitzen lassen, um sie anschließend für mehrere Tage trocknen zu lassen.
Im nächsten Schritt könnt ihr nun auch die Metallplatte auf der Unterseite der Tastatur losschrauben und beiseite legen. Dieser Schritt geht Hand in Hand mit dem Lösen des originalen Kabels von der Platine, sowie dem Entfernen jeder weiteren Elektronik (Solenoid etc.). Die Metalplatte könnt ihr wenn nötig jetzt schon säubern und mit Ballistol einsprühen. So ist sie auch in Zukunft von Rost geschützt.
Jetzt empfiehlt es sich mehrere dicke Bücher/CD-Gehäuse zu nehmen, sodass ihr den restlichen goldenen Teil der Tastatur umdrehen- also mit der Rückseite nach oben drehen könnt. Wenn ihr das Gefühl habt, dass die Tastatur gut liegt, könnt ihr vorsichtig die sechs Schrauben lösen, die die kapazative Platine an die Tastenmechanik befestigen. Diese grüne Platine, sowie die goldene Platte und der Gummi der mitangeschraubt war, könnt ihr nun beiseitelegen und geschützt verstauen.
Das Ganze sollte nun in etwa so aussehen:
Jetzt kommen wir zum körperlich anstrengenden Teil: Wie ihr sehen könnt ist jede Tastenmechanik, also jeder Switch gut im metallenen Gehäuse befestigt. An der Oberseite schauen euch die ,,Flipper'' der Switches entgegen, die auch für das berühmte klicken der Tastatur zuständig sind. Nun beginnt vorsichtig durch eine feine Hin- und her Bewegung die einzelnen Switches aus der Halterungsplatte zu entfernen und sie als ganzes in ein von Staub geschütztes Behältnis zu stellen. Wenn man zu grob anzieht, kann es passieren, dass einer der Flipper sich löst und durch die Gegend fliegt. Keine Sorge, dafür hat IBM sogar schon damals eine Anleitung erstellt. (Siehe https://imgur.com/a/klnphdi)
Nun sollten alle Switches herausgelöst sein und euer Blick sollte auf einen sehr sehr alten Schaumstoff fallen - bzw. das was von ihm noch übrig geblieben ist.