Elektronische Schreibmaschinen sind auch Computer, die halt auf nur eine ganz bestimmte Anwendung sehr konsequent spezialisiert sind...
Meine Sammlungsschwerpunkte kennen hier zwischenzeitlich einige, so habe ich fast die gesamte Palette an TOS-Computern von ATARI und zugehöriger Original-Peripherie zusammengetragen, bzw. aus der "guten alten Zeit" selbst bewahrt, natürlich auch so ettliches von Commodore. So manch einen PC und Bildschirmschreibmaschine der ETV-Serie von Olivetti habe ich hier und auf der HomeCon auch schon gezeigt. Aber nur die wenigsten hier wissen, dass diese ETV-Bildschirmschreibmaschinen nur einen (wenn auch ein wichtigen) Teil meiner Sammlung von derzeit etwa 40 elektronischen Schreibmaschinen der Serien ET, ETV, Praxis, Linea aus dem Hause Olivetti sind. Gestern gab es einen Neuzugang, eine
Olivetti ET 121 Farsi - Latin
Bei der ET 121 handelt es sich um eine recht große Büroschreibmaschine (A3 Quer) aus der ersten Generation der elektronischen Typenrad-Büroschreibmaschinen aus dem Hause Olivetti, diese erste Generation hat in etwa immer das selbe Druckwerk: die Zeilenschaltung wurde mal geändert und die Motoren wurden von Modell zu Modell etwas kleiner. Diese erste Serie umfasst die Modelle ET 101, ET 201, ET 221, ET 231, ET 351, ET 121, ET 225, welche zwischen 1978 und 1984 hergestellt wurde. In den Maschinen werkeln übrigens verschiedene 80xx Microcontroller und in den größeren Maschinen auch 1-2 Z80 CPUs, die ET 225 als letzte Maschine dieser Generation konnte bis zu 64 kB RAM haben. Diese Generation hatte gegenüber den Mitbewerbern (IBM, Triumph Adler, Olympia, Brother, Remington, usw.) eine Besonderheit beim Druckwerk (*1): Statt Steppmotoren für die Typenradselektion und Tabulation (Druckkopfbewegung) verwenden diese ETs schnelle Gleichstrommotoren mit Encodern, das heißt auf der Achse des Motors befindet sich eine Scheibe mit 200 Schlitzen, welche die Drehung erfassen, genau wie bei einer Maus mit Kugel. Dadurch waren diese Maschinen sehr schnell, sprich 20 Zeichen pro Sekunde (*2), die Ansteuerung des Motors vereinfacht, aber die Auswertung der Encoder war softwareseitig etwas aufwändiger als das Ansteuern eines Steppmotors und diese Technik soll seinerzeit billiger in der Herstellung gewesen sein. Allerdings muss bei diesen Maschinen jeder Motor und Encoder mittels Poti auf die jeweilige Basiselektronik abgestimmt werden. Dafür konnte die Elektronik die Bewegung des Druckkopf und Typenraddrehungen beobachten, wenn der Anwender z.B. das Typenrad wechselte und dabei irgendwas bewegte was er eigentlich nicht soll und die Grundstellung automatisch wieder herstellen, ohne die Mechanik erstmal gegen irgendwelche mechanischen Barrieren zu rammen (*3). Auch mechanische Blockagen bemerken diese Maschinen auf diesem Weg sofort. Im Stillstand werden die Motoren übrigens nicht einfach stromlos geschaltet, sondern sie oszillieren (unhörbar) mit 50 kHz zwischen 2 Schlitzen des Encoders, so dass die mechanische Position des Druckwerks stabil gehalten werden kann, ohne dass die Ansteuerung eine Selbsthemmung (etwa durch einen Schneckenantrieb) hat.
Die ET 121 wurde von Olivetti 1982 vorgestellt und ist ein eher einfaches Modell: Kein Display zur Texteingabe sondern nur 1 Zeile Speicher für direkte automatische Tippfehlerkorrekturen auf dem Papier, kein Fettdruck, kein Inversdruck, kein automatisches Unterstreichen, obwohl das selbe Druckwerk in der ET 225 dazu durchaus in der Lage war. Immerhin beherrscht sie Proportionalschrift, bei der berücksichtigt wird, dass ein i viel schmäler ist als ein W. iiiiii WWWWWW Das hier ist aber ein besonderes Modell von 1983, denn diese hier ist zwischen den Schriftarten Latin (also die Buchstaben die ihr hier lesen könnt) und Farsi (also persisch) umschaltbar, die kann also vorwärts und rückwärts schreiben! Und Farsi muss grundsätzlich in Proportionalschrift gedruckt werden, um ein geschlossenes Schriftbiild hinzubekommen. Das Handbuch beschreibt sogar, wie man beide Schreibweisen in einer Textzeile miteinander kombinieren kann, wenn der Text dann gedruckt wird, wird erst die eine Schriftart gedruckt, dann fordert die Maschine zum Typenradwechsel auf, dann druckt sie die andere Schriftart. Das ist alles andere als komfortabel, wenn man es mit heutigen Möglichkeiten grafikfähiger Software und Drucker vergleicht, aber für damals war das enorm.
Eine Farsi-Latin-Maschine mitten in Europa (Raum Frankfurt) zu erstehen ist wohl eher schwierig, also ein besonderes Stück für meine Sammlung, zumal diese Maschine in einem hervorragenden Allgemeinzustand ist, die sieht mehr oder weniger nagelneu und unverschlissen aus.
Das Gehäusedesign dieser Schreibmaschinen stammt übrigens vom italiensichen Star-Designer Mario Bellini, welcher zwischen 1972 und Mitte der 1990er viel für Olivetti gestaltet hat. Auf den Fotos ist hoffentlich die deutliche Keilform des Gehäuses zu sehen, und die für die 80er typische gerade Linienführung.
Zu der ET 121 Farsi - Latin habe ich auch noch eine rein mechanische Olympia mit Farsi, also auch die schreibt rückwärts, dazu bekommen, die gebe ich aber an einen befreundeten Olympia-Sammler weiter. Der leckt sich schon die Finger nach dem seltenen Stück...
*1 (Nur noch der amerikanische Hersteller Exxon leistete sich noch einen Sonderweg: Dort waren Druckkopf und Typenrad jeweils Teil eines Linearmotors... Der Benutzer solch einer Maschine saß also ganz ordentlich in einem Magnetfeld...)
*2 (der PC-Drucker Olivetti DY 400 mit dem selben Druckwerk erreichte sogar 40 Zeichen/s, der DY-800 dann das doppelte und gillt als das schnellste Typenraddruckwerk der Welt)
*3 (wie es z.B. die 1541 beim Formatieren macht)
Bild 1: So sieht die ET 121 aus, evtl. kann man auf dem Bild rechts die Latin-Taste mit zugehöriger LED sehen, über die man die Maschine umschaltet
Bild 2: Die Farsi-Tastatur, auf der Vorderseite der Tasten sind die Latin-Buchstaben in UK/US-Tastaturbelegung aufgedruckt
Bild 3: Testausdruck aller Zeichen in Farsi und einem englischen Demo-Text.
Bild 4: Farsi- und Latin-Typenräder, das Latin ist in Schriftart "Venezia"