Hallo!
Da Akkuschäden recht verbreitet und oft für die Hardware fatal sind (Euro PC, Commodore PC 10 -III, Amiga 500+,2000,3000,4000, diverse Uhrenkarten für Apple 2 und PC, 286er/386er Mainboards usf.) wollte ich mal einen Thread aufmachen um die "best practice" zu ermitteln und das gesicherte Wissen zu dem Thema zusammenzutragen. Vielleicht kommt ja dann final auch noch ein richtig guter Artikel für die LOAD bei heraus.
Ich will nicht behaupten, daß ich als nicht-Chemiker alles davon verstehe, aber ich habe v.a. in den letzten Jahren viel praktisch und auch im Austausch mit anderen Forenmitgliedern hier (v.a. kpanic ) so manches dazu gelernt. Oft liest man in diesem Zusammenhang so einige Tips mit fragwürdigem Nutzen für den Erhalt des Opfers im Netz (z.B. mit Domestos / Kloreiniger spülen, um die Batteriesäure zu entfernen etc.). Vielleicht kann der Thread ja dazu beitragen, ein paar Rechner mehr zu retten und langfristig zu erhalten. Ich schreibe einfach mal alles zusammen, was ich denke zu wissen, vielleicht könnt ihr dann korrigieren / ergänzen, falls ihr das besser wißt.
1.) Was ist betroffen?
Meiner Erfahrung nach sind die schlimmsten "Bomben" NiCd Akkus der Firma Varta von ca. 1988-1992. Andere Fabrikate aus der gleichen Zeit zeigen deutlich weniger massive Schäden.
2.) Was verursacht die Schäden?
Die Akkus enthalten einen flüssigen Elektrolyten, in der Regel ist das KOH (Kalilauge) + Wasser. Durch ungeeignete Werkstoffauswahl des Akkubehälters (Korrosion) gelangt die Lauge nach außen. Da Kalilauge hygrsokopisch (wasseranziehend) ist, trocknet sie nie ganz aus, so lange die Luft ein wenig Feuchte enthält. Korrosion entsteht dann, wenn ein wäßriger Elektrolyt (das Angriffsmittel), Sauerstoff und ein hinreichend unedles Metall dem Angriffsmittel exponiert ist.
3.) Wie ist das Schadensbild?
Der Rechner läuft nicht oder nicht stabil. Der Leitlack ist lokal verfärbt, es sind weiße Kristalle ausgeschieden.
4.) Wann sind die Schäden besonders schlimm?
Aus meiner Erfahrung besonders schlimm, wenn der Hersteller "Varta" Akkus verwendet hat und / oder der Rechner feucht (z.B. in Keller oder Garage) über lange Zeit gelagert war.
5.) Häufige Fehler bei der Instandsetzung
- Lauge nicht restlos entfernt: Der Rechner läuft dann zunächst wieder, wird weggeräumt, aber 1-2 Jahre später ist er wieder kaputt. Gerade wenn die Schäden bei der ersten Inaugenscheinnahme klein erscheinen, ist man versucht, nicht großflächig genug zu reinigen, z.B. SMD-ICs, Ram-Riegel-Sockel, DIL-Sockel etc nicht auszulöten oder das Board nicht oder unzureichend zu neutralisieren.
- Falsches Reinigungsmittel verwendet. Zumindest eine Stufe der Reinigung sollte die Neutralisation sein. Hier eignen sind Säuren wie Zitronensäure, Essigsäure, saurer Badreiniger, sogar mit Kola (Phosphorsäure) wurde schon erfolgreich behandelt. Wahrscheinlich ist die Wahl der Säure gar nicht so relevant, so lange man es mit Konzentration und Einwirkzeit nicht übertreibt und man anschließend die Säure und die Reaktionsprodukte wieder restlos entfernt. Hier im Forum wurde auch schon Kaisernatron oder Backpulver zur Neutralisation der Säure empfohlen.
- Angefressene Durchkontaktierungen nicht (richtig) repariert.
6.) Best Practice (Entwurf)
Am Beispiel der A501 (512 kB Speichererweiterung für den Amiga 500), die ich neulich von tuetenelch bekommen habe, wie folgt die Liste der Arbeiten, die ich ausgeführt habe:
- Akku runter! Auch wenn man "keine Zeit" zur sofortigen Reparatur hat, 10s Zeit für die Arbeit mit dem Seitenschneider muß sein.
Reinigung unter fließendem Wasser und "Vorneutralisation" durch übergießen mit Essigsäure o.ä. Das entfernt den gröbsten Schmutz, Staub und auch die wasserlöslichen KOH-Kristalle
- Genauere Analyse und Eingrenzung der Schadensstelle, die durch matt verfärbte Beinchen von bedrahteten Bauteilen und die konzentrische Verfärbung rund um den Akku charakterisiert wird.
- Ich habe dann immer mit wasserfestem Stift ca. 10cm von äußersten Radius des beschädigten Bereichs eine Linie gezogen und innerhalb der Linie alles bis aufs blanke Kupfer heruntergearbeitet. Dazu müssen natürlich sämtliche Bauteile entfernt werden. Zum Herunterarbeiten verwende ich 800er und 1200er Schleifpapier, Scotchbrite, Glasfaserstift und feine Reißnadel.
- Hauptneutralisation. Ich habe bisher hauptsächlich mit Essigsäure gearbeitet und das Board etwa eine halbe Stunde in 25% Essigsäure gebadet bei Raumtemperatur. Das hat bei mir noch nie einen Schaden am Kupfer erzeugt. Ich hatte es mal einen Tag lang eingelegt, das war definitiv zu lang. kpanic steht hier eher auf Badreiniger oder Zitronensäure, was wohl weniger aggressiv zum Kupfer sein soll, aber eben nicht rückstandslos verdunstet, wenn man anschließend die Säure nicht vollständig entfernen sollte. Zu Beginn der Neutralisation sieht man z.T. heftige Gasentwicklung um die Schadennstelle.
- Hiernach habe ich dann immer das Board unter heißem Wasser abgespült und einen weiteren Tag im Wasser liegen lassen und danach an Luft getrocknet. Die Neutralisation schlage ich vor, nach der Entfernung der Bauteile zu machen, weil dann mehr potentiell kontaminierte Fläche freiliegt. Nachdem das Board naß war, empfiehlt sich auch das Trockenblasen mit ölfreier Preßluft aus dem Kompressor, wenn man einen hat.
- Danach erfolgt dann die Reparatur beschädigter Pads/Durchkontaktierungen/Leiterbahnen mit Fädeldraht.
- Hiernach die Versiegelung der blanken Kupferoberfläche mit Lack (Plastik 70 von Kontakt Chemie oder ähnlicher).
- Dann können neue Bauelemente aufgelötet werden, sofern einfach verfügbar. Bei Kondensatoren, TTL ICs, Widerständen etc. überlege ich nicht lange, seltene ASICS werden natürlich mit Glasfaserstift gereinigt und nach Möglichkeit wieder verwendet.
- Zuletzt wird Flußmittel entfernt und eine Sprühwäsche durchgeführt (Kontakt LR und WL)
- Lang genug warten, bis alles trocken ist und Funktionsprüfung
7.) Arbeitsschutz
Ich war immer der Meinung, das Cadmium (gefährliches Schwermetall) gelangt beim Auslaufen der NiCd Akkus nach außen. Nach kpanic s Aussage ist das nicht so. Ich habe auch keine sonstigen Warnhinweise im Netz finden können, was seine These untermauert. Trotzdem würde ich das Board nicht in meine Küchenspülmaschine stecken oder auf Latexhandschuhe zumindest in der ersten Phase der Arbeiten verzichten. Wenn jemand von Euch Zugang zu einem REM/EDX hat, wäre das aus akademischen Gründen sicher mal interessant genau rauszufinden
Der Grünspan (Acetate und Salze des Kupfers) sind auch nicht gesundheitsfördernd.
PS: Man muß zu den unten gezeigten Bildern sagen, daß es sich um das am besten erhaltene Exemplar einer A501 handelt, welches mir jemals untergekommen ist. Hier ist auch kein Varta-Akku eingebaut..... Obwohl nur der Uhrenbereich betroffen war, hat die Speichererweiterung vor der Kur nicht richtig funktioniert, jetzt tut sie wieder einwandfrei!