Bevor ich mich für Retro interessierte, waren mir Netzteile scheissegal.
Wenn was kaputtgeht, weg damit und neu gekauft.
Das geht bei Retro nicht.
Meine Retro-PCs sind mit extrem seltenen Boards ausgestattet. Die kann man nicht mal eben neu kaufen.
Ripple - der lautlose Killer
Die Netzteil-Elektrolytkondensatoren ("Elkos") haben die Funktion, den Ripple (=Restwelligkeit) der Versorgungsspannungen auf ein Minimum zu begrenzen.
Wenn die Kapazität der Elkos abnimmt, nimmt auch diese Fähigkeit ab.
Der Kapazitätsverlust ist stark beschleunigt, wenn die Elkos Hitze ausgesetzt sind.
Wenn das Netzteil keine ausreichend glatte Spannung mehr liefert (daher auch die Bezeichnung "Glättelko"), dann müssen die Elkos auf den anderen Komponenten die Glättarbeit machen, die das Netzteil machen sollte.
Die ATX-Spezifikation erlaubt 50mV Ripple auf 5V und 120mV auf 12V.
In der freien Wildbahn habe ich (noch) funktionierende Rechner vorgefunden, deren temperaturgeregeltes "Leise"-Netzteil eine Restwelligkeit von 2 (!) Volt auf 5 Volt hatte.
Dort müssen die nur für die Glättung von kleinen Spannungsunterschieden gebauten Elkos auf Mobo etc dann viel, viel grössere Lade- und Entladeströme aushalten als eigentlich vorgesehen.
Das geht nicht lange gut.
Denn auch Elkos haben Innenwiderstand und können bei hohen Strömen so heiss werden, dass der Plastiküberzug schmilzt.
Wenn ein Mobo an Elko-Blähungen und/oder geschmolzenem Elko-Plastiküberzügen litt, dann war das in allen von mir beobachteten Fällen in Computern mit einem Netzteil mit hohem Ripple.
Festplatten vertragen übrigens hohen Ripple oft gar nicht gut.
Warum Ripple messen statt Elkos aufs Geratewohl austauschen?
Bei manchen Leuten ist es Usus, Mobos und Netzteile aufs Geratewohl zu recappen (=Elkos austauschen), ohne überhaupt erstmal zu messen, ob das wirklich nötig ist.
Das finde ich ein wenig schade.
Denn wurden langlebige Qualitätskondensatoren verwendet und Lüfter im Dauervollbetrieb betrieben, wird meinen Messungen zufolge selbst von (in Clones eher seltenen) hochwertigen alten AT-Netzteilen meist die ATX-Spezifikation noch eingehalten.
Da werden dann oft hochwertige, sehr teuere Kondensatoren ohne tatsächlichen Grund durch neuere, schlechterer Qualität ersetzt.
Wie misst man Ripple und vermeidet unnötigen Austausch von Kondensatoren?
Der Ripple wird mit Oszilloskop gemessen, da er a) üblicherweise im Bereich um 150kHz ist (gängiger Schaltnetzteiltakt) und b) im Regelfalle alles andere als sinusförmig ist.
Mit Baumarktmultimetern kann man Wechselspannungen nur bis wenige kHz messen.
Da kann man bei Schaltnetzteilen nur feststellen, ob schwache Primärelkos durchschlagen (was selten vorkommt, da diese meist gut sind).
Mit hochwertigen Multimetern, die Wechselspannungen im Megahertzbereich messen können, kann man bei einer deutlich messbaren Wechselspannung davon ausgehen, dass der Ripple zu gross ist. Andererseits kann man vom Fehlen einer angezeigten Wechselspannung nicht schliessen, dass kein Ripple da ist, z.B. wenn dieser die Form von Über/Unterschwinger hat und sehr kurz, aber vielleicht auch sehr gross ist.
Idealerweise misst man Ripple über das gesamte zulässige Betriebslastspektrum. Doch dazu braucht man einen automatisierten Messplatz mit elektronischen Lasten usw.
Für den Laien ist das unrealistisch.
Daher habe ich mir zum abschlägigen Testen und zum Lernen einen primitiven Netzteiltester gebastelt mit folgenden Funktionen:
-Messung Ripple ohne und mit Last (ein paar Ampere)
-Prüfung auf Überstromschutz (plötzliche kurzschlussartige Belastung)
Überstromschutz für Retrocomputer extrem wichtig
Den Überstromschutz möchte man als Retro-Liebhaber unbedingt in den verwendeten Netzteilen haben.
Denn ob ein Überstromschutz vorhanden ist oder nicht, bedeutet den Unterschied, ob ein Rechner lediglich plötzlich ausgeht und nicht mehr startet, oder ob die Fehlfunktion (im Beispiel ein kurzgeschlossener Tantalelko) als Sekundärschaden einen Totalschaden z.B. des Mainboards oder gar einen Brand zur Folge hat, wenn die Leiterbahnen aufgrund des hohen Stroms durchbrennen.
Soweit die trockene Theorie.
In den nächsten Beiträgen werde ich das mit Bildern konkret veranschaulichen.